Joachim Kreye ist Unternehmer und studierte neben seiner beruflichen Tätigkeit den MBA Sustainability Management an der Leuphana Universität Lüneburg. Im Interview berichtet Kreye von wichtigen Erfahrungen, neuen Projekten und wie bei ihm Nachhaltigkeit zum beruflichen Thema geworden ist. Ein Fazit: Windkraft und Solarenergie haben heute bereits ein Vielfaches an Arbeitsplätzen geschaffen, als in der Kernenergie und Kohleindustrie wegfallen können.
„Green Skills“ sind zurzeit in aller Munde. Was genau verbirgt sich eigentlich hinter dieser vermeintlichen Zauberformel und wie entwickelt man Green Skills? In dieser Interviewreihe präsentieren wir Ihnen Persönlichkeiten, die es geschafft haben und zeigen auf Projekte, die in neue Richtungen weisen. Lesen Sie hier von Lösungen, Initiativen und professionellen Wegen wie Nachhaltigkeit unternehmerisch umgesetzt werden kann.
Die deutsche Energiewende: Eine Lokomotive für den Arbeitsmarkt
Herr Kreye, Sie haben den Ökostromversorger LÜNESTROM gegründet und damit einen stark debattierten und im Wandel befindlichen Markt betreten. Vor welchen Herausforderungen stehen Ökostromversorger wie LÜNESTROM aktuell?
Joachim Kreye: Es ist wichtig, den Kunden nicht nur die Stromqualität, sondern auch die Qualität des Lieferanten zu verdeutlichen: den Unterschied zwischen einem Discounter, der sich mit Billigzertifikaten ein Ökostromlabel umhängt und mit zunächst defizitären Preisen auf Kundefang geht – und einem Qualitätsanbieter wie LÜNESTROM, der sich mit seinem Engagement für Nachhaltigkeit als Akteur der Energiewende versteht. Viele Kunden erkennen zunächst nicht, dass es sich bei den vermeintlich günstigeren Angeboten der Wettbewerber weder um qualitativ hochwertige Produkte, noch um tatsächlich günstigere Angebote handelt, da Preisanpassungen die anfangs defizitären Preise schnell wieder wett machen. Die großen, marktbeherrschenden Konzerne kommen auch mit Ökostromangeboten. Zumeist werden dafür seit Jahrzehnten abgeschriebene Wasserkraftwerke, die schon immer im Strommix enthalten waren, aus diesem herausgerechnet und als Ökostromprodukt teurer verkauft. Das ist ein geschickter Marketinggag. Kunden, die diesen Ökostrom beziehen, unterstützen damit oft unbewusst Konzerne, die auch Kohle- und Kernkraftwerke betreiben. Umso deutlicher erfahren wir daher Zustimmung für unser Angebot! Unsere Kunden kommen zu LÜNESTROM, da wir mit einer Energiepreisgarantie dauerhaft günstige Preise für unseren Ökostrom garantieren können, durch Service-Center persönliche Präsenz zeigen und mit regionalem Engagement im Landkreis authentisch im Sinne der Nachhaltigkeit agieren.
Häufig wird gesagt, die deutsche Energiewende wäre eine Lokomotive für den Arbeitsmarkt. Sehen Sie das auch so? Erwarten Sie einen Anstieg an Stellen im Ökostromsektor?
Auf jeden Fall! Windkraft und Solarenergie haben heute bereits ein Vielfaches an Arbeitsplätzen geschaffen, als in der Kernenergie und Kohleindustrie wegfallen können. Die Arbeitsplätze entstehen nicht nur in der Produktion, Installation und Wartung der Anlagen, sondern auch in der Steuerung der Einspeisung und der Netze, die aufgrund der fluktuierenden Erzeugung komplexer werden. Forschung und Entwicklung in der Erzeugung und Speichertechnologie sind ein weiterer, expandierender Jobmotor.
Sie sind zusätzlich auch noch in der Vermögensberatung tätig und beschäftigen sich mit nachhaltiger Altersversorgung. Was können wir uns darunter vorstellen? Wann ist die Altersversorgung nachhaltig?
Hier sehe ich die soziale Nachhaltigkeit im Vordergrund. Ein Arbeitgeber kann beispielsweise soziale Nachhaltigkeit praktizieren, indem er bestimmte Wege der betrieblichen Altersversorgung für seine Arbeitnehmer einführt. Es gibt Förderwege, die es ihm erlauben, einen attraktiven Zuschuss in die Altersversorgung seiner Arbeitnehmer einzuzahlen, der weit über gesetzliche Verpflichtungen hinaus geht und ihn dabei absolut nichts kostet. Die Beiträge werden sofort und unmittelbar über Fördergesetze refinanziert.
Das Spannende dabei ist, dass eine Kombination mit Ökostrombezug existiert. Ein Fördergesetz erlaubt es dem Arbeitgeber einen Teil des Stromabschlags seinem Arbeitnehmer steuer- und sozialversicherungsfrei zu bezahlen. Das führt in der Kombination mit der betrieblichen Altersversorgung zu meist dreistelligen Monatsinvestitionen in das Vorsorgekonto, ohne dass Arbeitnehmer oder Arbeitgeber dafür irgendwelche Einschnitte vornehmen müssten. Der Beitrag refinanziert sich also komplett aus Fördergesetzen.
Zudem lässt sich ökologische Nachhaltigkeit über die gewählte Anlageform umsetzen. Über diese Kombinationen lässt sich das Dreieck der Nachhaltigkeit, nämlich die Erfüllung ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit in der Altersversorgung realisieren.
Nach Ihrem Physik-Studium haben Sie noch den MBA Sustainability Management Studiengang an der Leuphana Universität Lüneburg studiert. Hat Ihnen das Studium bei der Unternehmensgründung geholfen? Inwieweit helfen Ihnen heute die Inhalte aus dem Studium im Berufsalltag?
Das Studium hat entscheidend nicht nur mein Bewusstsein für Nachhaltigkeit, sondern auch für das Aufspüren von Geschäftsfeldern und Chancen im Bereich der Nachhaltigkeit – dem sog. „Business Case of Sustainability“ – geschärft. Es hat das komplexe Feld der Nachhaltigkeit durchschaubar und handhabbar gemacht. Die erworbenen Kenntnisse und erlernten Tools gehören heute zu meinem Berufsalltag.
Darüber hinaus haben wir ein sehr aktives Netzwerk an MBA-Absolventen. Der Austausch und die Kontakte hierüber prägen noch heute meinen beruflichen Alltag. So konnte ich eine Führungsposition in unserm Unternehmen aus diesen Reihen besetzen. Damit wird der inhaltliche Austausch zum Thema Nachhaltigkeit in der Praxis bei LÜNESTROM natürlich fortgeschrieben. Zudem konnten wir schon zahlreiche Impulse aus den weiterführenden Konferenzen und Alumni-Runden bei LÜNESTROM aufgreifen und weitere Geschäftsfelder auch in Kooperation mit anderen MBAlern entwickeln.
War es für Sie schwer neben dem Beruf zu studieren? Konnten Sie eine ausgewogene Work-Life-Balance herstellen?
Es war auf jeden Fall eine inhaltliche und zeitliche Herausforderung, der ich mich aber bewusst gestellt habe. Ich war (und bin) zeitlebens selbstständig tätig und benötigte daher den Abschluss nicht für meine Karriere. Ich habe das Studium aus reinem Interesse und der Freude am Lernen absolviert. Als ich merkte, dass es mir zu arbeitsintensiv wurde und dadurch die Work-Life-Balance drohte, aus der Balance zu geraten, habe ich die Inhalte zeitlich anders verteilt und das gesamte Studium um ein Jahr gestreckt. Dadurch blieb mir der Spaß erhalten.
Gestatten Sie uns einen Blick in die Zukunft: Was sind Ihre nächsten Projekte oder Ideen?
Die FIRSTCON GmbH mit ihrer Marke LÜNESTROM soll als Familienunternehmen fit für kommende Generationen sein. Mit meinem Sohn Jannik, der bereits die Geschäftsführung innehat, bauen wir dafür weitere Geschäftsfelder rund um das Kernthema der Ökostrom- und Gasbelieferung aus:
Ökostrom aus Wasser oder Wind: Wir liefern ja ausschließlich einhundert Prozent Ökostrom, dessen komplette Lieferkette zusätzlich klimaneutral gestellt ist. Aufgrund der aktuellen Gesetzgebung (EEG) ist das Kriterium „Neuanlagen“ oder deutscher EEG-Strom obsolet. Wenn wir deutschen EEG-Strom in unseren Einkauf aufnehmen, müssen wir mehr als die Einspeisevergütung zahlen. Wenn wir das tun, wird der Strom teuer. Daher kaufen wir in der Hauptsache Strom aus skandinavischer Wasserkraft ein, bei dem die mengen- und zeitgleiche Einspeisung ins deutsche Netz vom TÜV geprüft wird. Da einige Kunden aber Wert auf alternative Bezugsquellen legen, bieten wir in Kürze die Möglichkeit, für nur einem Cent netto zusätzlich pro Kilowattstunde, unseren Strom als Windstrom zu beziehen.LÜNESOLAR: Zusammen mit unserem Kooperationspartner im Bereich Photovoltaik (PV) bieten wir den Kunden an, dass sie ohne Investitionskosten eine PV-Anlage aufs eigene Dach bekommen. Lediglich ein kleiner Installationszuschuss ist zu entrichten. Es handelt sich dabei um ein Pachtmodell, bei dem nach Ende der kalkulierten Pachtdauer von 18 Jahren die Anlage ins Eigentum des Hausbesitzers übergeht. Der Clou: der Kunde spart von Anfang an Geld und hat Sonnenstrom vom eigenen Dach. Die Summe aus Pacht, Kosten für den Reststrom, der nicht vom eigenen Dach kommt, abzüglich Einspeisevergütung für den Strom, der auf dem eigenen Dach produziert, aber nicht im Haus selbst verbraucht wird, ist meist geringer als die bisherige Stromrechnung. Und nach 18 Jahren produzieren die PV-Elemente ja weiterhin Strom, während keine Pacht mehr gezahlt wird. Dann rechnet sich das noch besser.
Elektromobilität: wir helfen unseren Kunden sowohl bei der Fahrzeugbeschaffung, als auch bei der Ladeinfrastruktur. Handwerksunternehmen, Pflegedienste, Kurierfahrer etc. sind ideale Nutzer für E-Mobilität. Die Fahrzeuge fahren 20 bis 100 Kilometer täglich, was locker mit einer Batteriefüllung bewerkstelligt werden kann. Nachts können die Fahrzeuge wieder aufgeladen werden (z.B. mit LÜNESOLAR + Speicher). Für einen attraktiven Kauf- oder Leasingpreis vermitteln wir unsere Kunden gern an einen Kooperationspartner, der bundesweit Zugang zu sämtlichen Fördertöpfen hat.
Darüber hinaus bieten wir zu äußerst günstigen Konditionen Ladesäulen mit und ohne Abrechnungstechnik (22 kW) sowie Pedelec-/E-Bike-Ladestationen. Je nach Gesamtsituation verschenken wir die Ladesäulen sogar, beispielsweise wenn sich Betriebe in diesem Zusammenhang durch uns mit Strom (und Gas) beliefern lassen.
Oft verschenken diese Betriebe den Strom für die E-Mobilität dann an ihre Kunden. Dadurch erhalten sie über die Bekanntmachung in den einschlägigen E-Mobility-Foren kostenfreie Werbung. Die Kunden verweilen dann gerne noch etwas länger, verzehren bzw. kaufen mehr ein – und schon rechnet sich das wieder für den Unternehmer. Entsprechende Kooperationen bieten wir auch Carsharing-Unternehmen an.
Blockheizkraftwerke (BHKW) in Wohnanlagen lohnen sich richtig, wenn der Strom an die Mieter / Wohnungseigentümer verkauft wird. Der Betreiber des BHKW verdient damit gutes Geld, der Nutzer (Mieter oder Eigentümer) bezieht günstigen Strom aus der ökologisch sinnvollen Kraftwärmekopplung-Anlage in unmittelbarer Nähe. Allerdings ist die Schaffung der Voraussetzungen für diesen Stromverkauf nicht trivial. Es sind Abstimmungen mit dem Netzbetreiber und viele juristische und vertragliche Vereinbarungen zu treffen. Gleichzeitig muss der Betreiber darauf achten, nicht zum Energieversorger oder Netzbetreiber zu werden. Es gibt kaum Unternehmen, die diese Dienstleistung solitär anbieten, ohne gleichzeitig selbst als Contractor das BHKW zu betreiben. Wir bieten Contractoren, Hausverwaltern und Wohneigentümergemeinschaften das „Rundum-sorglos-Paket“ für BHKW-Konzeption, -Planung, -Betrieb und –Abrechnung an. Dabei beraten wir neutral und unabhängig, da wir weder BHKW verkaufen, noch selbst betreiben wollen.Stromabschläge steuer- und sozialversicherungsfrei aus dem Bruttolohn bezahlen: das ist mit uns im Rahmen bestimmter, gesetzlich festgelegter Höchstbeträge möglich. Der Vorteil für den Arbeitnehmer beträgt im Regelfall 600 Euro jedes Jahr. Der Arbeitgeber spart dadurch mindestens 180 Euro jährlich pro Arbeitnehmer. Diese Möglichkeit lässt sich wunderbar mit der betrieblichen Altersversorgung kombinieren. Dann erhält der Arbeitnehmer ca. 100.000 Euro zusätzliches Rentenkapital (bei einer Laufzeit von 30 bis 35 Jahren), ohne dass er einen Cent aus seinem bisherigen verfügbaren Einkommen investiert. Der Vorteil für den Arbeitgeber erhöht sich dabei auf mindestens 450 Euro jährlich und pro Arbeitnehmer. White Label: ein Unternehmen, das viele Kundenkontakte hat, möchte gerne seinen Auftritt als nachhaltiges Unternehmen verstärken oder seine Geschäftsfelder ausweiten. Der Verkauf von Ökostrom und klimaneutralem Gas wäre dazu gegebenenfalls geeignet, aber man will wegen der hohen Anforderungen, dem administrativen Aufwand und der Markteintrittsbarrieren nicht selbst Energielieferant werden. In diesem Fall setzen wir für solch ein Unternehmen eine Energiemarke unter dem Markennamen des Unternehmens auf. Das Unternehmen kann sich nach außen wie ein Energielieferant mit dieser Marke präsentieren. Den gesamten Lieferprozess organisieren wir und tragen dabei zudem das gesamte wirtschaftliche Risiko. Das Unternehmen erhält eine von ihm selbst festgelegte Vergütung je Kunde oder je gelieferter Kilowattstunde. Die Endkundenpreise werden dabei zwischen dem Unternehmen und uns abgestimmt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Hinweis: Das Interview entstand in Kooperation mit Umwelthauptstadt.de/Jobverde und erschien dort.
In der Reihe Green Skills portraitieren das Centre for Sustainability Management (CSM) und dessen Partner Persönlichkeiten und ihr Engagement im Nachhaltigkeitsmanagement. Praxisnah aber detailreich werden aktuelle Projekte, neue Handlungsfelder und vielfältige Innovationen für unternehmerische Nachhaltigkeit vorgestellt. Archiv: Bisherige Beiträge abrufen
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