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Wieviel ist Artenvielfalt wert? – Neue Studie zeigt Grenzen der Zahlungsbereitschaft für Biodiversität

Natur auf dem Campus der Leuphana Universität Lüneburg

Trotz des voranschreitenden Artensterbens, existieren nur vergleichsweise wenige Studien zu der Bedeutung, die Konsument*innen dem Thema Biodiversität beimessen. Jacob Hörisch et al. (2024) untersuchten in einer aktuellen Publikation im Journal of Industrial Ecology, wie Konsument*innen auf Informationen über die Biodiversitätsleistung von Produkten reagieren, speziell in Bezug auf ihre Bereitschaft, mehr zu zahlen (Willingness to Pay, WTP). Biodiversität ist ein zentraler Umweltaspekt, aber im Vergleich zu Themen wie Klimawandel gibt es deutlich weniger Forschung dazu, wie Biodiversitätsinformationen das Konsumverhalten beeinflussen. Die Autor*innen wollten herausfinden, ob Konsument*innen bereit sind, für Produkte mit besserer Biodiversitätsbilanz mehr zu zahlen – und wie stark diese Bereitschaft von der Größe der Verbesserung abhängt.

Die Studie: Was beeinflusst die Zahlungsbereitschaft?

In einer Umfrage wurden 524 deutsche Konsument*innen befragt, die in Hinblick auf ihr Alter, Geschlecht und Bildungsgrad repräsentativ für die deutsche Bevölkerung sind. Sie sollten angeben, wie viel sie für Toilettenpapier mit unterschiedlicher Biodiversitätsleistung zahlen würden. Das Produkt wurde bewusst gewählt, weil es regelmäßig von fast allen gekauft wird und dabei deutliche Auswirkungen auf die Umwelt hat. Die Biodiversitätsleistung wurde durch den „Biodiversitätsfußabdruck“ gemessen, der angibt, wie stark ein Produkt die Biodiversität schädigt oder schützt.

Die Ergebnisse: Kleine Verbesserungen zählen, große lohnen sich kaum

Die Ergebnisse zeigen ein klares Muster: Konsument*innen sind bereit, für Produkte, die besser als der Durchschnitt in Bezug auf Biodiversität sind, mehr zu zahlen. Allerdings steigt die Zahlungsbereitschaft nicht proportional mit der Verbesserung. Selbst Produkte, die deutlich über dem Durchschnitt liegen, erzielen keine signifikant höhere Zahlungsbereitschaft. Gleichzeitig zeigt sich, dass Konsument*innen für Produkte mit schlechter Biodiversitätsleistung deutlich weniger bereit sind zu zahlen.

Wer zahlt mehr – und warum? Bildungsgrad und Umweltbewusstsein als Schlüsselfaktoren

Besonders stark reagieren Konsument*innen mit höherer Bildung und größerer Sorge um den Biodiversitätsverlust. Diese Gruppen sind bereit, für umweltfreundlichere Produkte mehr zu zahlen und sanktionieren schlechtere Produkte durch eine geringere Zahlungsbereitschaft. Für Konsument*innen mit geringerer Bildung und weniger Umweltbewusstsein spielen diese Informationen jedoch eine deutlich kleinere Rolle.

Was heißt das für Unternehmen? Geringe Anreize für große Schritte

Das Fazit der Studie ist, dass Konsument*innen nur begrenzte Anreize bieten, um Unternehmen zu motivieren, ihre Biodiversitätsleistung stark zu verbessern. Verbesserungen knapp über dem Branchendurchschnitt werden honoriert, aber größere Anstrengungen bringen keine zusätzlichen Preisprämien. Dies legt nahe, dass Unternehmen eher kleine Schritte zur Verbesserung ihrer Biodiversitätsbilanz unternehmen, anstatt drastische Maßnahmen zu ergreifen.

Fazit: Warum Marktmechanismen allein nicht ausreichen

Für die nachhaltige Entwicklung bedeutet dies, dass die Marktdynamik allein nicht ausreicht, um die Biodiversität zu schützen. Zusätzliche Maßnahmen von Politik, NGOs und Unternehmen selbst sind notwendig, um das Bewusstsein der Konsument*innen zu schärfen und größere Anreize für Unternehmen zu schaffen, wirklich nachhaltige Produkte anzubieten. Denkbar sind etwa gesetzliche Mindeststandards oder verpflichtende Kennzeichnungen, um das Thema Biodiversität stärker in den Fokus zu rücken.

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Open Access: „The impact of biodiversity information on willingness to pay“ im Journal of Industrial Ecology

Jacob Hörisch ist Professor für Nachhaltigkeitsökonomie & -management am Centre for Sustainability Management (CSM) der Leuphana Universität Lüneburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Nachhaltiger Konsum, Nachhaltigkeitsmanagement, Stakeholder Theory und Sustainable Entrepreneurship. Weitere Informationen

Bild: Natur auf dem Campus der Leuphana Universität Lüneburg, Leuphana/Marvin Sokolis