„Green Skills“ sind zurzeit in aller Munde. Was genau verbirgt sich eigentlich hinter dieser vermeintlichen Zauberformel und wie entwickelt man Green Skills? In dieser Interviewreihe präsentieren wir Ihnen Persönlichkeiten, die es geschafft haben und zeigen auf Projekte, die in neue Richtungen weisen. Lesen Sie hier von Lösungen, Initiativen und professionellen Wegen wie Nachhaltigkeit unternehmerisch umgesetzt werden kann.
Schweizerinnen und Schweizer sind Weltmeister im Einkauf von Fair-Trade-Produkten. Und Gäste interessieren sich zunehmend für die Herkunft ihres Essens. Ist die Zeit also reif für ein Fair-Trade-Engagement der Gastronomie? Dieser Frage ist Wiebke Suter-Blume im Rahmen ihrer MBA-Abschlussarbeit mit Schweizer Gastronomen nachgegangen. Im Gespräch verrät sie wichtige Ergebnisse, wie sich Fair Trade für Gastbetriebe lohnen kann und worauf dabei zu achten ist.*
Worum geht es bei Fair Trade eigentlich genau?
Wiebke Suter-Blume: Der Faire Handel will benachteiligten Bauern im Weltsüden helfen, von ihrer Arbeit und nicht von Almosen zu leben. Dafür müssen sie Preise erzielen, von denen sie leben und ihre Kinder in die Schule schicken können. Dies garantiert der Faire Handel. Wer beim Einkauf auf Fair Trade achtet, beweist also weltweite Solidarität. So können Lebensmittel aus dem Weltsüden nach demselben Prinzip eingekauft werden wie regionale Produkte im Inland.
Woran sind fair gehandelte Produkte zu erkennen?
Leider sieht man einem Produkt nicht an, wie es gehandelt wurde. Auch am Geschmack ist das nicht zu erkennen. Da muss man sich auf Fair-Trade-Label von unabhängigen Zertifizierern verlassen, den Fair-Trade-Programmen von Herstellern glauben oder zertifizierten Fachhändlern vertrauen.
Fair-Trade-Produkte gibt es für alle Bereiche der Speisekarte. Für Getränke: Kaffee, Tee, Trinkschokolade und Fruchtsäfte; für den Hauptgang: Reis, Getreide und Gewürze und für das Dessert: Früchte, Glacé, Schokolade, Zucker und Nüsse. Vieles davon ist heute sogar bei Grossisten verfügbar – nur leider kaum beworben und will daher noch entdeckt werden!
Können Sie aufgrund ihrer Arbeit bestimmte Label empfehlen?
Die Recherchen haben ergeben, dass aktuell für die Gastronomie vor allem das Max Havelaar Label relevant ist. Dies kann zwar zu 5 bis 15 Prozent höheren Produktpreisen führen. Dafür hat es aber auch hohe Standards in der Armutsbekämpfung und lässt sich gut vermarkten, da die Gäste es kennen.
Wichtige Alternativen wären der grüne Frosch der Rainforest Alliance oder das utz-Siegel. Diese führen zwar nicht zu höheren Produktpreisen, haben dafür aber auch geringeren Nutzen für die Bauern im Weltsüden und lassen sich kaum dem Gast gegenüber vermarkten, da dieser die Label nicht kennt. Bei den Fachhändlern führt aktuell vor allem die Claro AG ein Sortiment, das für die Gastronomie interessant ist.
Warum soll sich ein Gastronom die Mühe machen, das Fair-Trade-Angebot zu entdecken?
Das ist Einstellungssache. In den Interviews habe ich verschiedene gute Argumente gehört. Die einen sehen darin eine praktische Möglichkeit für wenig Geld einen Beitrag zur Armutsbekämpfung zu leisten oder haben sich aus Nächstenliebe dazu verpflichtet. Andere sehen im Verkauf von Fair-Trade-Produkten eine Möglichkeit, das Image ihres Betriebes als sozial verantwortlich deutlich zu demonstrieren und somit Goodwill der Gäste zu erhalten, wenn sie im Preiskampf nicht mitmachen wollen.
Kann ein Gastronomiebetrieb mit Fair Trade verdienen, oder legt er drauf?
Fair Trade kann ein gutes Argument in der Preisstrategie des Betriebes sein, in der auch die Mehrkosten verrechenbar sind. Einige bekannte Gastronomiebetriebe machen dies ja auch bereits vor. Denn die Mehrkosten für eine Tasse Fair Trade Kaffee belaufen sich auf ca. 1.25 bis 3.75 Prozent des Verkaufspreises. Bei einem Gericht mit einer fair gehandelten Komponente sogar nur auf 0.35 bis 0.93 Prozent. Daher kann Fair Trade ein Argument sein, um ein gutes Preisniveau zu halten oder die nächste Preisschwelle zu überspringen. Fair Trade ist bei Gästen ein Zusatzargument und ein wichtiges Mittel zur Kundenbindung.
Warum ist das faire Angebot der Gastronomiebetriebe dann nicht grösser?
Das war das Kernthema der Masterarbeit. Die meisten Gastronomen wissen zu wenig über ihre Möglichkeiten. Das fängt damit an, dass das faire Angebot der Grossisten so gut wie unbekannt ist. Aber es ist vorhanden. Auch setzen viele Gastronomen fair mit zu teuer gleich, weil der Mehrpreis, der dem Bauern im Weltsüden die Existenz sichert, für uns unvorstellbar niedrig ist. Und leider kommt es auch immer wieder zu enttäuschenden Erfahrungen, wenn Gastronomen zu wenig über die verschiedenen Label und deren Werbewirkung wissen.
Was empfehlen Sie also Gastronomen aufgrund der Studie?
Mit Fair Trade sammeln Gastronomiebetriebe beim Gast Punkte für Fairness. Damit es sich rechnet und Enttäuschungen ausbleiben, ist der Prozess vom Einkauf bis zum servierten Gericht zu betrachten. Auch müssen Kommunikation und Angebot stimmig sein – Produkte aus kleinbäuerlicher Fair-Trade-Produktion im Weltsüden ergänzen etwa ein regionales Speiseangebot sehr gut. Und wem das alleine zu „heiss“ ist, dem sei wärmstens empfohlen, sich beraten zu lassen. Label-Organisationen und andere Fair-Trade-Akteure helfen gerne beim Einstieg, für kein oder wenig Geld!
Zur Person: Wiebke Suter-Blume leitet heute bei „Stop Armut 2015“ den Bereich Nachhaltigkeit. Ihre Masterarbeit im Studiengang MBA Sustainability Management der Leuphana Universität Lüneburg ist die Grundlage des Informationsangebots der Kampagne „Stop Armut 2015“ für interessierte Gastronomen. Die Kampagne ruft zu praktischen Massnahmen im Schweizer (Geschäfts-)Alltag auf, um prekäre Lebensbedingungen im Weltsüden zu verbessern.
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