CSM Alumni, MBA Sustainability Management

Food Upcycling als Business Case? – MBA-Absolventin Katharina Schenk im Interview 

Katharina Schenk hat in ihrer berufsbegleitenden Masterarbeit erforscht, wie Lebensmittelproduzenten durch das Upcycling von Nebenprodukten wie Molke und Okara sogenannte Business Cases for Sustainability entwickeln können. Dabei stieß sie auf wertvolle Potenziale – und große Herausforderungen. Für ihre herausragende Arbeit erhielt sie 2024 den Master-Thesis-Award des CSM-Alumni e.V.. Von ihren Ergebnissen und möglichen Lösungswegen berichtet Katharina Schenk im Interview.

„Ich war erstaunt, wie viele hochwertige Nebenströme wie Molke und Okara in der Lebensmittelproduktion kaum genutzt werden. Bei der Käseherstellung bleiben 90 % der Milch als Molke übrig, und bei der Sojaproduktion wächst durch den Boom von Fleischersatzprodukten die Menge an Okara stetig. Leider landen diese wertvollen Ressourcen oft in Biogasanlagen oder werden als Tierfutter verwendet.“ 

Katharina Schenk

Worum geht es in Ihrer Arbeit? 

Wie wird vermeintlicher Abfall zum Motor für nachhaltige Innovation? Meine Arbeit untersucht, wie Lebensmittelproduzenten durch das Upcycling von Nebenprodukten wie Molke und Okara Business Cases for Sustainability entwickeln können. Dabei habe ich Hindernisse und konkrete Ansätze analysiert und Handlungsempfehlungen abgeleitet. Molke entsteht bei der Herstellung von Käse und Quark. Okara ist ein Nebenprodukt aus der Sojamilch- und Tofuproduktion, Beide Produkte sind reich an Proteinen, Ballaststoffen, Mineralien. 

Für Laien: Was ist ein Business Case for Sustainability? 

Der Begriff «Business Case for Sustainability», geprägt durch die Forschung von Professor Schaltegger, beschreibt, wie Unternehmen freiwillig umweltfreundliche und soziale Maßnahmen ergreifen können, um ihren wirtschaftlichen Erfolg zu stärken. Ein Beispiel dafür ist das Upcycling von Nebenströmen wie Molke zur Wiederverwendung in Lebensmitteln – ein innovativer Ansatz, der Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit verbindet. 

Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen? Was hat Sie besonders daran interessiert? 

In meiner beruflichen Praxis wurde mir bewusst, dass grosse Mengen an wertvollen Nebenprodukten wie Molke und Okara ungenutzt bleiben. Statt sie in der Lebensmittelproduktion einzusetzen, landen sie häufig in Biogasanlagen oder als Tierfutter. Mich hat interessiert, warum das so ist und welche Lösungen Lebensmittelproduzenten dabei helfen können, diese Ressourcen nachhaltiger zu nutzen. 

Wie groß ist der Anteil der Nebenprodukte, die ungenutzt bleiben? Wie viel wird in der Lebensmittelproduktion verschwendet? 

In der Schweiz werden 86 % der Molke nicht als Lebensmittel verwendet, sondern als Tierfutter oder für Biogas genutzt. Die Menge an Okara wächst ebenfalls kontinuierlich, da der steigende Markt für Sojaprodukte die Produktion dieses Nebenstroms weiter ankurbelt. Nur etwa die Hälfte der Sojabohne wird derzeit genutzt bei der Herstellung von Tofu oder Sojamilch. Beide Nebenströme bieten enormes Potenzial für die Entwicklung innovativer Lebensmittel und können gleichzeitig dazu beitragen, Umweltbelastungen zu reduzieren und Ressourcen besser zu nutzen.  

Was haben Sie herausgefunden? 

Zuerst die Herausforderung – was bremst? Hindernisse wie Investitionskosten, fehlende Standardisierung und geringe Verbraucherakzeptanz erschweren die Nutzung von Nebenprodukten. Unternehmen, die Nebenströme wie Molke oder Okara produzieren, verfügen oft nicht über die Infrastruktur zu deren Verarbeitung. Stattdessen werden sie häufig als Tierfutter oder Biogas genutzt. Die schnelle Verderblichkeit solcher Produkte macht zudem eine rasche Kühlung und Verarbeitung notwendig. Interne Zielkonflikte verstärken die Hürden: Nachhaltige Verwertung wird zwar angestrebt, jedoch fehlen häufig Ressourcen oder Anreize, um die nötige Infrastruktur aufzubauen. Unsicherheiten über Absatzmärkte und Wirtschaftlichkeit erschweren Entscheidungen zusätzlich.  

„Unternehmen, die Nebenströme einkaufen, kämpfen mit schwankender Qualität und Verfügbarkeit. Besonders Start-ups stoßen auf finanzielle und technologische Grenzen bei der Entwicklung innovativer und marktfähiger Produkte. Verbraucher sehen Nebenprodukte oft als „Abfall“, was die Akzeptanz weiter mindert. „Unternehmen, die Nebenströme einkaufen, kämpfen mit schwankender Qualität und Verfügbarkeit. Besonders Start-ups stoßen auf finanzielle und technologische Grenzen bei der Entwicklung innovativer und marktfähiger Produkte. Verbraucher sehen Nebenprodukte oft als „Abfall“, was die Akzeptanz weiter mindert.“

Die gute Nachricht ist: Diese Hürden lassen sich überwinden. Erfolgreiche Beispiele wie die Molkendrinks PauseGnuss oder Okara-Produkte von Luya zeigen, dass Nebenströme zu gefragten Lebensmitteln werden können. Unternehmen können Nebenströme als wertvolle Rohstoffe wahrnehmen und bereits in der Rezeptentwicklung für die Hauptprodukte sollte die Nutzung von Nebenströmen berücksichtigt werden, um deren Verwertung in Lebensmitteln zu ermöglichen. 

Einheitliche Qualitätsstandards und transparente Informationen über die Herkunft und Zusammensetzung der Nebenströme können die Weiterverarbeitung deutlich erleichtern. Technologische Innovationen, wie Investitionen in Haltbarkeits- und Verarbeitungstechnologien, machen Nebenströme attraktiver für Abnehmer und fördern deren Nutzung. 

Zusammenarbeit innerhalb der Branche spielt dabei eine Schlüsselrolle. Durch regionale Netzwerke können Nebenströme effizienter gebündelt und verteilt werden. Netzwerkkoordinatoren können das Vertrauen zwischen den Beteiligten stärken und innovative Testprojekte fördern. Sensibilisierungskampagnen und transparente Kommunikation über die Vorteile von Nebenstrom-Produkten tragen dazu bei, die Akzeptanz bei Verbrauchern zu steigern und Nachfrage zu schaffen. 

„Ein Teil der Lösung liegt direkt bei uns als Verbraucher:innen. Wenn wir uns für Produkte aus Nebenströmen wie Molke oder Okara entscheiden, fördern wir nicht nur Innovationen, sondern machen klar: Abfall war gestern, heute machen wir daraus etwas Leckeres. Zu jedem Käse gehört Molke, zu jeder Sojamilch oder Tofu das Okara – vielleicht schon bald als knuspriger Snack oder leckerer Shake in eurem Einkaufskorb!“

Lassen sich Ihre Ergebnisse zu Molke und Okara auch auf andere Nebenprodukte der Lebensmittelproduktion übertragen?  

Ja, die Ansätze sind auf andere Nebenprodukte übertragbar, die ähnliche Herausforderungen und Potenziale aufweisen. Beispielsweise können Trester aus der Fruchtsaftproduktion, Treber aus der Bierherstellung oder Kartoffelschalen aus der Verarbeitung durch innovative Verarbeitungstechnologien und gezielte Integration in Geschäftsmodelle nachhaltig genutzt werden.  

Gibt es Bestrebungen, Ihre Ansätze in die Praxis umzusetzen?

Meine Ergebnisse sind in das Förderprojekt Upcycling Swiss Whey eingeflossen, das darauf abzielt, Hindernisse in der Nutzung von Molke zu überwinden. Dieses Projekt bringt Akteure aus Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel, Forschung und Gastronomie zusammen, um Testcases wurden neue Verarbeitungs- und Vermarktungsmöglichkeiten erprobt. Netzwerkkoordinatoren wie Doris Erne von Whyecation oder die Stiftung Foodward spielen hier eine zentrale Rolle, indem sie Vertrauen zwischen den Beteiligten aufbauen und innovative Ansätze fördern. Unter anderem habe ich an der Fachtagung Molke am 1. Juli 2024 meine Ergebnisse vorgestellt. 

Welche Tipps haben Sie für andere MBA-Studierende, die vor der Masterarbeit stehen? 

Nutze die Masterarbeit als Lernreise – nicht nur inhaltlich, sondern auch, um mehr über deine Arbeitsweise zu lernen, beispielsweise, wann deine produktivsten Phasen für die verschiedenen Aufgaben sind – ob zum Schreiben, Recherchieren oder Korrigieren. Neben Beruf und Familie waren für mich die frühen Morgenstunden vor der Arbeit und die Vormittage am Wochenende ideal, um Rohtexte zu schreiben. Dabei haben mir insbesondere die vom CSM initiierten Schreibgruppe geholfen, motiviert zu bleiben und dranzubleiben. Mit der Pomodoro-Technik blieben wir in der Schreibgruppe fokussiert, und der herzliche Austausch führte zu wunderbaren Freundschaften, die weit über die Masterarbeit hinaus bestehen – Stronger Together! 

Vielen Dank für die spannenden Einblicke, Katharina Schenk. 

Das Interview führte Mia Wilkens, Centre for Sustainability Management (CSM) der Leuphana Universität Lüneburg. 

Über den MBA Sustainability Management Master-Thesis-Award 

Der Master-Thesis-Award wird jährlich vom CSM-Alumni e.V. für herausragende und besonders innovative und/oder praktisch relevante Masterarbeiten vergeben. Die Masterarbeit verfassen die Studierenden in der Abschlussphase des MBA Sustainability Management und bearbeiten ein Thema des Nachhaltigkeitsmanagement wissenschaftlich fundiert und tiefgehend. 

Links zum Weiterlesen: 
Wheycation 
foodward Stiftung
CSM-Alumni e.V. 
MBA Sustainability Management

Fotos:  Katharina Schenk (Tagung), Anna Michalski (Master-Thesis-Award)