100 Fachkonferenzteilnehmende, 20 erfolgreiche Absolvent*innen, zahlreiche Perspektiven: Bei den jährlichen Home Coming Days (HCD) des MBA Sustainability Management 2021 stand das Thema „Nachhaltigkeit in der Lieferkette“ auf der Agenda, anschließend wurden im virtuellen Raum die diesjährigen Absolvent*innen feierlich verabschiedet.
Die Pandemie hat gezeigt, wie verwundbar Lieferketten sind. Und gleichzeitig gibt es einen größer werdenden gesellschaftlichen und regulativen Druck, sich mit dem „Woher“ auseinanderzusetzen – unter anderem durch das neue Lieferkettengesetz. Grund genug, „Nachhaltigkeit in der Lieferkette – Problemfelder, Lösungen und Zukunftsprognosen?“ zum Thema der diesjährigen HCD-Fachkonferenz zu machen. In drei Online-Diskussionsrunden mit Vertreter*innen aus Unternehmen und Zivilgesellschaft ging es darum, aufzuzeigen und zu diskutieren, wie Nachhaltigkeit in (globalen) Lieferketten unterschiedlicher Branchen umgesetzt werden kann.
Lieferketten regulieren – im Gespräch mit SÜDWIND
Friedel Hütz-Adams, Senior Researcher – SÜDWIND e.V. Institut für Ökonomie und Ökumene, nahm in seinem Impulsvortrag unter anderem das kürzlich vom Bundestag beschlossene „Lieferkettengesetz“ kritisch unter die Lupe: Es falle an entscheidenden Punkten hinter den UN-Vorgaben zurück und sei „zu schwammig und zu interpretationsfähig“. Nötig sei, eine klare gesetzliche Regulierung, die als „level playing field“ dafür sorge, dass insbesondere die Unternehmen, die sich im Bereich Menschenrechte bereits stark engagierten, nicht „die Dummen“ seien.
Lieferkette sichtbar machen – im Gespräch mit GOTS & sustainabill
Wie kann man Lieferketten sichtbar machen? Eine Antwort auf diese Frage lieferte Claudia Kersten, Managing Director der Global Standard gemeinnützigen GmbH und Alumna des 6. MBA-Jahrgangs, die das Textil-Siegel Global Organic Textile Standard (GOTS) mitentwickelt und auf Wachstumskurs gebracht hat. Inzwischen seien mehr als 10.000 Betriebe weltweit zertifiziert – für 2020 bedeute das ein Wachstum von 34 %, trotz Pandemie. Ein wichtiges Thema für GOTS sei die Rückverfolgbarkeit, „from field to fashion“, dafür arbeite GOTS an einem zentralen Datenbanksystem:
„Ich habe ein GOTS-Produkt und kann anhand eines QR-Codes in Echtzeit sehen, wo das Schaf gegrast hat. Das wäre das absolute Ziel. (…) Die Digitalisierung ist auch ein Schlüssel für die Arbeit eines Standards.“
Claudia Kersten, GOTS
Welche technologischen Lösungen gibt es, um Nachhaltigkeit in der Lieferkette sichtbar zu machen? Klaus Wiesen, Mitbegründer und CEO von sustainabill, stellte in seinem Impuls seine Cloud-Plattform zur nachhaltigen Beschaffung vor, die Unternehmen dabei unterstütze, die tiefere Lieferkette zu analysieren und Maßnahmen zu monitoren. „IT-Systeme können eine große Hilfestellung leisten, indem sie es schaffen, die KPIs, die Daten, Fakten, die Einkäufer*innen für schnelle, effiziente Entscheidungen benötigen, verfügbar zu machen“, betonte er.
Lieferkette leben – im Gespräch mit der BMW Group, ISA-TRAESKO & SONNENTOR
Was sind für Unternehmen die größten Herausforderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit in Ihren Lieferketten und wie begegnen sie ihnen? Drei ganz unterschiedliche Perspektiven auf diese Frage steuerten die Referent*innen des dritten Themenblocks bei. Ferdinand Geckeler, Senior Expert Sustainable Supply Chain Management bei der BMW Group, stellte dar, wie er in einer hochkomplexen Wertschöpfungsstruktur und einem dynamischen „Lieferkettennetzwerk“ für Transparenz und Rückverfolgbarkeit sorgt. BMW habe unter anderem einen standardisierten Nachhaltigkeitsfragebogen in den Beschaffungsprozess integriert und arbeite daran, Materialkreisläufe zu schließen und recycelte Rohstoffe zu nutzen. Juliane Michel, Head of Corporate Responsibility beim norddeutschen Familienunternehmen ISA-TRAESKO und Studierende des 17. Jahrgangs, zeigte, wie sie Lieferkettennetze im Bereich Textilien und Schuhe aufbricht – und zwar unter anderem mit einer weisungsbefugten CR-Abteilung, die auch Audits vor Ort durchführt, einem eigenen Umwelt- und Sozialstandard und Materialnominierungen durch QR-Code-Technologie.
„Wir sind noch lange nicht am Ziel, haben uns aber ehrlich damit auseinandergesetzt und versuchen unser Bestmögliches. Bisher bedeutete Nachhaltigkeit in der Lieferkette für uns einen Nachteil am Markt, da unsere Mitbewerber das nicht gemacht haben und wir teurer waren und Ausschreibungen verloren haben. Von daher ist auch das einer der vielen Pluspunkte des neuen Lieferkettengesetzes.“
Juliane Michel, ISA-TRAESKO GmbH
Johannes Gutmann, Unternehmensgründer und Geschäftsführer von SONNENTOR, berichtete von seinem Weg und davon, wie er als Bio-Pionier Tee und Gewürze aus aller Welt in alle Welt liefert. Bereits seit der Gründung 1988 beschäftigt er sich mit verantwortungsvoller Unternehmensführung, hat rund 70 % der gesamten Wertschöpfung in der Hand und zuletzt auch eine eigene Vertriebskette aufgebaut. Sein Rezept für eine nachhaltige Lieferkette: direkter Handel und langjährige Lieferbeziehungen, Wertschätzung für Handarbeit, eine Gemeinwohlbilanz und „Sinnmaximierung statt Gewinnmaximierung“.
Herzlichen Glückwunsch! – CSM verabschiedet 20 Absolvent*innen
„Sie haben sich aus der Komfortzone begeben, sich durch Kurseinheiten und große Mengen an Materialien durchgearbeitet und sich durch freiwillige Anstrengung viel Wissen angeeignet. (…) Der MBA ist die höchstqualifizierende betriebswirtschaftliche Ausbildung, die es gibt.“ Mit diesen Worten zollt Studiengangsleiter Prof. Dr. Stefan Schaltegger den diesjährigen Absolvent*innen in seinem Grußwort Respekt. 20 Studierende haben den MBA Sustainability Management erfolgreich abgeschlossen und wurden in einer feierlichen Online-Titelverleihung verabschiedet.
„Nachhaltige Entwicklung, über die Sie nun so viel gelernt haben, ist eine gesellschaftliche Vision und kann von keinem Menschen, egal wie mächtig und intelligent er oder sie sein mag, und von keinem Unternehmen und keiner Organisation, egal wie groß und reich sie ist, alleine erreicht werden. Auch nicht von einzelnen Akteuren mit MBA-Titel (leider). Dennoch müssen Sie das Spielfeld betreten und aktiv werden. (…) Dabei rege ich Sie an, sich nicht nur an den naheliegenden, sogenannten „low hanging fruit“ zu laben und den Applaus aller zu genießen, wenn die Produktion effizienter wird, Kosten gespart werden und weniger Abfall erzeugt wird. (…) Ich rege Sie an, die planetaren Grenzen und die großen Phänomene der Unnachhaltigkeit, wie Verslummung, großflächige Wüstenbildung, Überfischung der Meere, Flüchtlingsströme usw. explizit im Augenmerk zu behalten. Was hat Ihre tägliche Arbeit, was Ihr Unternehmen, was Ihre Abteilung und was Ihre Freizeitgestaltung mit diesen bedeutenden Themen der Unnachhaltigkeit zu tun? Diese großen Syndrome der Unnachhaltigkeit sind große Brocken, die nach den brillanten Gedanken und kräftigen Händen von MBA-Expertinnen und -Experten schreien.“
Grußwort zur Urkundenübergabe 2021, Prof. Dr. Stefan Schaltegger
Nachhaltigkeit sei so nötig wie nie zuvor, betonte auch Lüneburgs Bürgermeister Eduard Kolle in seinem Beitrag. Bei seinem ersten Grußwort an MBA-Absolvent*innen des CSM – er ist der dienstälteste Bürgermeister der Hansestadt und bereits seit 2007 aktiv – habe er das Thema noch unterschätzt, bemerkte er selbstkritisch, aber in diesen Zeiten müsse es „sofort angegangen werden“. Er appellierte an die Absolvent*innen:
„Lassen Sie sich nicht von Widerständen entmutigen. Bleiben Sie dran und bleiben Sie verbissen – wir setzen auf Sie. Helfen Sie uns allen mit diesem Studium!“
Eduard Kolle, Bürgermeister der Hansestadt Lüneburg
Muriel Nitsche und Julia Drefahl beschrieben in ihrem Absolvent*innenbeitrag, dass sie als MBA-Absolvent*innen jetzt an einem Scheideweg stünden: Wie wird die Welt 2050 aussehen? Werden wir Bilder von Hungerskatastrophen, Extremwetterereignissen und Fluchtbewegungen sehen? Oder werden wir Probleme lösen und klimafreundlich in einer intakten Umwelt leben? Als Absolvent*innen könnten sie das aktiv mitbestimmen und die Zukunft gestalten. Und das am besten gemeinsam:
„Was uns schon zu Beginn des Studium einte: Eine gemeinsame Wertebasis. (…) Wir laden als Vorständinnen des CSM-Alumnivereins alle ein, ein Teil unseres starken Netzwerks zu werden.“
Muriel Nitsche und Julia Drefahl, Absolventinnen MBA Sustainability Management 2021
Als Workshop-Partner des MBA sendete Dr. Jens Heidingsfelder, Referent für Wirkungstransparenz und Nachhaltigkeit bei der GLS Gemeinschaftsbank eG per Videobotschaft ein Grußwort. Im Februar diesen Jahres hatten Studierende für die GLS Bank Strategien für mehr unternehmerische Nachhaltigkeit erarbeitet. Er nahm die Absolvent*innen unter dem Titel „Der Weg war das Ziel“ mit auf eine Wanderung – vom Beginn der Ausbildung …
„Ihre Hintergründe sind mannigfaltig und wertvoll. Die Diversität, die Sie und Ihre Geschichten mit sich bringen, das ist die Stärke von Ihnen und Ihrer Ausbildung.“
Dr. Jens Heidingsfelder, GLS Gemeinschaftsbank eG
… bis zum Ende:
„Lassen Sie uns einmal ehrlich sein: Meine Güte war das anstrengend bis hierhin! So eine Ausbildung schüttelt sich nicht aus dem Ärmel. Jeder Rucksack wog gelegentlich schwer und manchmal hat auch der Schuh gedrückt. Aber gemeinsam haben Sie es geschafft. Und jetzt sitzt die leichte Ausrüstung wie eine Eins. Das eigene Wissen, die eigenen Fähigkeiten sind immer mit dabei. (…) So zum Beispiel die Standards und Normen des Nachhaltigkeitsmanagements (…), die sind mittlerweile leicht gepackt und verstaut und auf Abruf bereit. Und sogar die ganz, ganz schweren Brocken tragen sich mittlerweile mit Leichtigkeit – das Rechnungswesen, das strategische Nachhaltigkeitsmanagement und manchmal auch die eigene Geduld, wenn es zu langsam vorangeht.“
Dr. Jens Heidingsfelder, GLS Gemeinschaftsbank eG
Er gratulierte herzlich zum Abschluss und wünschte den Absolvent*innen viel Erfolg auf Ihrer Wanderung zu den nächsten Gipfeln: „Bleiben Sie stark, bleiben Sie dran und halten Sie an Ihren Träumen fest.“
Für herausragende Masterarbeiten erhielten in diesem Jahr gleich zwei Absolvent*innen den Master Thesis-Award, der jährlich vom CSM-Alumni e.V. vergeben wird: Nina Riehle-Hussain für ihre Arbeit zum Thema „Chancen und Hemmnisse bei der Einführung einer umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung in der Golfregion – Anhand des Beispiels der Regierung von Ras al Khaimah“ und Marie Sophie Wilde für ihre Masterarbeit „Risikobasierter Ansatz zur Bewertung von Produktionsstandorten mit Wasserrisiken – Wasserrisiko-Analyse für die chemische Industrie am Beispiel der LANXESS AG“.
Das CSM dankt allen Teilnehmenden und Referent*innen der Fachkonferenz für die spannenden Diskussionen und dem CSM-Alumni e.V. für die gemeinsame Organisation. Herzlichen Dank an die Festredner*innen und die Musiker Malte & Lennart dafür, dass auch im virtuellen Raum feierliche Stimmung aufkam.
Managen für morgen. Netzwerken für übermorgen.
Über 700 Studierende und Alumni und über 50 Praxis- und Kooperationspartner bilden inzwischen das größte universitäre Netzwerk zum Thema Nachhaltigkeitsmanagement – ihr Zuhause ist das CSM der Leuphana. Studieninteressierte können sich für den kommenden Studienstart des MBA Sustainability Management im Frühjahr 2022 noch bis zum 30. September bewerben.
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