Forschung und Projekte am CSM

Nachhaltigkeitsmanagement: Unternehmen erkennen Potenziale nicht

Viele Manager gestalten ihr Nachhaltigkeitsmanagement zu wenig wirtschaftlich aus, weil sie nicht daran glauben, so die Erkenntnis von Professor Stefan Schaltegger. Er erläutert, warum Unternehmen sich mit ihren CSR-Aktivitäten vor allem legitimieren wollen.

Auf dem CSR-Forum 2015 haben Sie aufgezeigt, dass der Geschäftserfolg im Nachhaltigkeitsmanagement mit den so genannten Mindsets von Managern zusammenhängen. Was ist damit genau gemeint?

Prof. Stefan Schaltegger, Centre for Sustainability Management (CSM) der Leuphana Universität Lüneburg

Prof. Stefan Schaltegger

Stefan Schaltegger: Jahrelang haben wir uns mit der Frage beschäftigt, welchen Beitrag Nachhaltigkeitsaspekte zum wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens leisten können. Zu diesem Thema gibt es inzwischen viele Methoden und Konzepte. Doch viele Unternehmen scheinen die wirtschaftlichen Potenziale von Nachhaltigkeitsmaßnahmen kaum zu erkennen. Ein Erklärungsansatz ist, dass dem Nachhaltigkeitsmanagement eine gedankliche Werthaltung und eine Prädisposition – wir nennen es gedankliche Vorspurung – vorausgeht.

Was ist bei der Implementierung einer Nachhaltigkeitsstrategie am wichtigsten?

Zunächst einmal müssen die Ziele des Engagements definiert werden. Der Kern des Nachhaltigkeitsmanagements ist, die Umwelt- und die Sozialleistungen zu verbessern. Dabei ist eine solche Zielsetzung allerdings immer im organisationalen Kontext zu sehen, denn ein Unternehmen ist ein Wirtschaftsunternehmen. Diesbezüglich haben wir zwei mögliche organisationale Zielrichtungen für Nachhaltigkeitsaktivitäten untersucht.

Welche sind das?

Die eine Richtung ist der Versuch, die Verbesserung der Umwelt- und Sozialleistungen im Kontext einer Gewinnorientierung auszugestalten, also nach so genannten Win-Win-Potenzialen mit wirtschaftlichen Zielen zu suchen. Die andere Richtung ist eine Legitimitätsorientierung. Das Ziel ist dabei, die Akzeptanz des Unternehmens gegenüber der Gesellschaft zu erhöhen.

Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Nachhaltigkeitsmanagement ist derzeit weitestgehend legitimitätsorientiert. Das gilt sowohl für deutsche Großunternehmen als auch für internationale Konzerne. Das bedeutet, dass in der Praxis die wirtschaftlichen Effekte von freiwilligen Umwelt- und Sozialaktivtäten derzeit kaum betrachtet werden. Die Klischeevorstellung, dass sich Unternehmen nur mit Umwelt- und Sozialthemen befassen würden, wenn es ihren Gewinn erhöht, sind empirisch falsch.

Wie hängen diese Ergebnisse mit den genannten Mindsets zusammen?

Diese Haltung spiegelt die Einstellung, also das Mindset, wider, dass Nachhaltigkeit den wirtschaftlichen Erfolg gar nicht erhöhen kann. Es wird eher davon ausgegangen, dass das Unternehmen seine Legitimität sichern muss, um so weitermachen zu können wir bisher. Dieses Mindset birgt zwei Gefahren. Die erste Gefahr ist, dass wirtschaftliche Chancen übersehen und in Krisenzeiten dann die CSR-Aktivitäten reduziert werden, da sie nicht in das Kerngeschäft integriert sind.

Zweitens kann es, meist unbeabsichtigt, zu Greenwashing kommen, wobei Legitimitätssicherung nicht mit Greenwashing gleichzusetzen ist. Hinter vielen Aktivitäten zur Legitimitätssicherung steckt eine reale Substanz, aber immer mit dem Ziel, die Akzeptanz zu erhöhen. Das führt dann beispielsweise zu philanthropischen Aktivtäten. Eine solche Strategie hilft aber einerseits meist nicht unternehmerische Nachhaltigkeit zu erreichen und ist andererseits häufig wenig wirksam, um die Legitimität tatsächlich zu sichern.

Könnten Sie dies mit Beispielen illustrieren?

Stark zugespitzt könnte man es so darstellen: Wenn Sie Landminen herstellen, mit denen sich Leute Beine absprengen und sie gründen dann eine Stiftung, die Menschen mit amputierten Beinen hilft, agieren Sie im Rahmen des klassischen CSR-Verständnisses und Ihre Aktivtäten dienen der Legitimierung des bisherigen Geschäfts. Mit unternehmerischer Nachhaltigkeit hat ein solches Vorgehen nichts zu tun und es wird auch nicht gelingen, die Legitimität tatsächlich zu sichern.

Nun stellt kaum jemand mehr Landminen her, aber jedes Produkt hat unerwünschte Wirkungen. Extrem betrachtet wird ein Auto zu einer Waffe, mit dem jedes Jahr viele Leute auf der Straße umgebracht werden, Fast Food und überzuckerte Lebensmittel werden zu Krankheitserregern, die täglich Diabetes und Fettsucht fördern usw.

Im Sinne einer unternehmerischen Nachhaltigkeit ist das Management deshalb herausgefordert, neue Geschäftsmodelle zu suchen, die den großen Nutzen dieser Produkte sichern und die Schadwirkungen reduzieren. Wie kann es gelingen, dass weniger Autos auf der Straße sind, die Menschen sich aber dennoch individuell fortbewegen können? Vor diesem Hintergrund wird das Thema Carsharing interessant und dies hat zum Beispiel Daimler mit Car2Go ja auch gut erkannt. Das ist eine andere Denkrichtung mit einem anderen Mindset.

Es gibt in vielen Unternehmen inzwischen einen Nachhaltigkeitsmanager. Treibt eine solche Funktion das Thema voran?

Ich unterscheide dabei zwischen expliziten und impliziten Nachhaltigkeitsmanagern. Bei expliziten Nachhaltigkeitsmanagern steht diese Funktion auf der Visitenkarte. Aber einer bestimmten Unternehmensgröße ist eine solche Funktion notwendig, um die Aktivitäten zu koordinieren, zu unterstützen und am Leben zu erhalten.

Mindestens ebenso wichtig für ein erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement sind aber die impliziten Nachhaltigkeitsmanager. Das sind beispielsweise Einkäufer, Produktmanager oder Marketingverantwortliche, die sich im Rahmen ihrer Aufgaben unter anderem auch mit Nachhaltigkeitsfragen befassen. Beide sind für die erfolgreiche Implementierung von Nachhaltigkeit im Unternehmen wichtig. Ein gutes Nachhaltigkeitsmanagement ist durch ein gut funktionierendes Netzwerk zwischen expliziten und impliziten Nachhaltigkeitsmanagern gekennzeichnet. Die Ausgestaltung muss in jedem Unternehmen spezifisch entwickelt werden, da gibt es keine generelle Lösung.

Ab Ende 2016 tritt die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen ab 500 Mitarbeiter in Kraft. Welche Auswirkungen wird dies für das Thema Nachhaltigkeitsmanagement haben?

Ich habe ein differenziertes Verständnis zu dieser Regulierung. Auf der einen Seite ist es positiv zu bewerten, dass Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht haben und sich mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Dadurch entsteht ein höheres Bewusstsein und es werden Reflexionsprozesse angestoßen. Auf der anderen Seite ist es aus meiner Sicht problematisch, dass diese Regulierung primär auf Quantität ausgerichtet ist. Ein Nachhaltigkeitsbericht sagt nichts über die Qualität der Daten, Informationen und Maßnahmen aus.

Die Berichte führen auch nicht zu einer höheren Transparenz. Damit Externe über die Nachhaltigkeitsaktivitäten wirklich informierter sind, ist eine stärkere Standardisierung der Daten und der Reporting-Prozesse notwendig. Wenn also das Ziel dieser Regulierung darin bestünde, Transparenz zu schaffen, wird es meines Erachtens verfehlt. Um das Bewusstsein für das Thema zu erhöhen, ist sie hilfreich.

Das Interview mit Stefan Schaltegger führte Anja Schüür-Langkau für Springer für Professionals. Dort finden Sie auch zahlreiche weitere Beiträge und Fachliteratur zum Themenfeld Corporate Social Responsibility (CSR) & Nachhaltigkeitsmanagement. Die Analysen auf die sich Professor Schaltegger bezieht beruhen auf dem „Corporate Sustainability Barometer“. Und wurden u.a. wie folgt veröffentlich:

Schaltegger, S.; Windolph, Harms, D. & Hörisch, J. (Hrsg.): Corporate Sustainability in International Comparison: State of Practice, Opportunities and Challenges. Cham: Springer International Publishing (Eco-Efficiency in Industry and Science, 31).

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Prof. Dr. Stefan Schaltegger ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Nachhaltigkeitsmanagement. Er leitet das Centre for Sustainability Management (CSM) und ist Gründer und Leiter des Führungskräftestudiums MBA Sustainability Management, einem weiterbildenden, akademischen Master-Studium zu Nachhaltigkeitsmanagement.