Die Transformation hin zu erneuerbaren Energien erfordert enorme Investitionen. Banken spielen bei der Finanzierung eine Schlüsselrolle. Doch die neuen Basel-IV-Regeln – ein Regelwerk mit Kapitalvorschriften für Banken – erschweren die Kreditvergabe an Unternehmen der Energiewende, findet Daniel Weiß aus dem MBA-Netzwerk. In seinem Gastbeitrag erklärt er Basel IV und beschreibt den Zielkonflikt zwischen Finanzstabilität und Transformationsfinanzierung – auch für Laien, die nicht tief im Thema „Sustainable Finance“ stecken. Wie kann dieser Herausforderung begegnet werden?
Ein Gastbeitrag von Daniel Weiß
Die Herausforderungen der Transformationsfinanzierung
Die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft erfordert enorme Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und nachhaltige Technologien. Nach Schätzungen von Deloitte [Quelle] werden dafür allein in Deutschland bis 2045 rund 1 Billion Euro benötigt, davon 50 Prozent für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Diese Kosten sind mit dem Finanzierungsbedarf der deutschen Einheit vergleichbar.
Aufgrund der Struktur des deutschen Finanzsystems spielen Banken und die klassische Kreditfinanzierung eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung dieser Transformation. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass 70 bis 80 Prozent des Finanzierungsbedarfs kleiner und mittlerer Energieunternehmen in Deutschland durch Bankkredite gedeckt werden [Quelle]. Das Eigenkapital der Banken lässt sich jedoch nicht einfach und signifikant skalieren, um Investitionen in dieser Höhe zu stemmen. Auch die neuen regulatorischen Vorgaben der Capital Requirements Regulation (CRR) III – umgangssprachlich Basel IV genannt – der Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA)führen zu höheren Eigenkapitalanforderungen, die die Kreditvergabe zur Transformationsfinanzierung deutlich einschränken.
Basel IV verschärft Eigenkapitalanforderungen
Die neuen Eigenkapitalvorschriften von Basel IV, die ab 2025 schrittweise in Kraft treten, sollen das Finanzsystem durch eine Anpassung der Eigenkapitalanforderungen robuster und krisenfester machen. Dies hat allerdings zur Folge, dass Banken für Erneuerbare-Energien- und andere Transformationsprojekte mehr Eigenkapital hinterlegen müssen, was einerseits die Kredite verteuert und andererseits den Spielraum für die Kreditvergabe einschränkt. Im direkten Vergleich zu den bisherigen Regelungen müssen Banken nach einer Analyse der Beratungsgesellschaft zeb [Quelle] 30% mehr Eigenkapital hinterlegen. Damit besteht die Gefahr, dass Basel IV als ungewollte Bremse für dringend benötigte Investitionen in die grüne Transformation wirkt.
Finanzstabilität vs. Transformationsfinanzierung – mögliche Lösungsansätze
Um diesem Zielkonflikt zwischen Finanzstabilität und Transformationsfinanzierung zu begegnen, sind politische Initiativen notwendig. Eine Möglichkeit wären Erleichterungen oder Ausnahmen bei den Eigenkapitalanforderungen für grüne Kredite durch einen „Green Supporting Factor“. Ähnliche Instrumente zur Eigenkapitalentlastung gibt es bereits für die Förderung von Infrastrukturprojekten.
Darüber hinaus könnten staatliche Förderbanken und staatliche Bürgschaften die Risiken von Krediten für Erneuerbare-Energien-Projekte reduzieren. Zudem könnten alternative Kreditvertriebskanäle (u. a. Ausplatzierung von Krediten, d.h. die Bank verkauft den Kredit an andere Finanzmarktteilnehmer*innen – bspw. Versicherungen), ein weiterer Schlüssel sein, die zwar nicht das Hauptproblem lösen, aber eine bessere Verteilung auf die Schultern der Finanzmarktintermediäre ermöglichen, um durch die Freisetzung von Eigenkapital bei den Banken die Kreditvergabe zu unterstützen.
Was können wir tun?
Manch eine(r) mag sich fragen, wie wir etwas ändern können. Dabei unterschätzen wir oft die Macht, die wir als Bürger*innen und Interessengruppen haben. Gesetze und Verordnungen spiegeln unterschiedliche Werte und Perspektiven wider, die durchaus beeinflussbar sind. Die Klimabewegung Fridays for Future hat gezeigt, wie öffentlicher Druck zu Veränderungen führen kann. Ohne diese Bewegung wäre das heutige Klimaschutzgesetz in seiner aktuellen Form wahrscheinlich nicht zustande gekommen [Quelle]. Zudem nutzt die Legislative immer wieder das Wissen, die Erfahrungen und die Einschätzungen der Betroffenen, um zu sachgerechten Entscheidungen zu kommen.
Call to Action: Beteiligt euch an der politischen Willensbildung und bringt euch ein. Nur durch eine konzertierte Aktion von Politik, Aufsicht und Finanzwirtschaft können wir die Weichen für eine erfolgreiche grüne Transformation stellen. Die Finanzierung dieser gewaltigen Aufgabe muss höchste Priorität erhalten. Daher müssen wir den geschilderten Zielkonflikt in unseren Unternehmen, Medien und im Austausch mit der Politik aktiv thematisieren.
Daniel Weiß ist als ESG-Manager bei der NORD/LB tätig. Dort kümmert er sich für den Bereich Structured Finance um alle ESG-Fragestellungen (strategisch und operativ) rund um das Thema „Projektfinanzierungen für die Energie- und Infrastrukturwende“. Daniel Weiß studiert im 20. Jahrgang des berufsbegleitenden MBA Sustainability Management.
Links (extern) zum Weiterlesen:
KPMG: CRR III als wesentlicher Teil des EU-Bankenpakets – KPMG
Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V.: Finanzmärkte in Zeiten globaler Megatrends
KfW Research: 5 Bio. EUR klimafreundlich investieren – eine leistbare Herausforderung
Sustainable Finance-Beirat: Diskussionspapier – Transformationsfinanzierung und -förderung im Mittelstand
Handelsblatt Gastkommentar: So kann der Staat privates Kapital für den grünen Wandel fördern
Als Gastautor*innen teilen Studierende und Alumni des berufsbegleitenden MBA Sustainability Management an der Leuphana Universität Lüneburg ihr Wissen, ihre Praxiserfahrungen und ihre Lösungsansätze zu Herausforderungen des Nachhaltigkeitsmanagements.
Sind Sie CSM-Studierende*r oder CSM-Alumni und haben Sie ein Thema, zu dem Sie einen Beitrag beisteuern möchten? Senden Sie Ihren Vorschlag gern an Anna Michalski (csm-kommunikation@leuphana.de).
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.