Vom Einzelhandels-Konzern zum Unverpackt-Laden, aus der Festanstellung in die Selbstständigkeit: Nora Sonn ist Studentin des MBA Sustainability Management und hat ihr Leben seit Studienbeginn gründlich umgekrempelt. Im Interview berichtet sie vom Wandel und ihren aktuellen Projekten.
„ohne PlaPla“, wofür steht das und was haben Sie damit zu tun?
„ohne PlaPla“ steht für Einkaufen ohne Plastik in Ludwigsburg, aber auch für einen Einkauf „ohne Blabla“. Ohne bunte Verpackungen mit viel Lärm um nichts, auf‘s Wesentliche reduziert und mit transparenter Herkunft. Der neue Unverpackt-Laden ist eine Herzenssache für mich, ich habe den Gründer von Anfang an beratend unterstützt und bei der Entwicklung des Geschäftsmodells begleitet – von der Namensfindung über die Konzeption der Ladeneinrichtung bis hin zur Sortimentsgestaltung.
Was ist anders, wenn ich bei „ohne PlaPla“ einkaufe, und wie kommt Ihr Konzept in Ludwigsburg an?
In unserem Unverpackt-Laden kann jeder eigene Behältnisse mitbringen und seinen Einkauf selber abwiegen. Es ist aber vor allem ein sehr reduziertes Einkaufen, auf den wirklichen Bedarf fokussiert – eine Mischung aus Grundnahrungsmitteln und Spezialitäten, meist bio und regional. Viele Produzenten kennen wir persönlich und können so genau sagen, wo die Erzeugnisse herkommen. Ein an den Laden angeschlossenes Café lädt zum Verweilen ein, an unserem großen Tisch kommt man leicht mit anderen Gästen ins Gespräch. Wir sehen den Laden als Begegnungsstätte, die Lust darauf macht hier mehr Zeit zu verbringen – auch nach Ladenschluss bei Veranstaltungen oder Workshops. Oft sind Unverpackt-Läden relativ spartanisch eingerichtet – wir dagegen legen Wert auf eine entschleunigte Wohlfühlatmosphäre, in der das Einkaufen Spaß macht. Und das kommt sehr gut an.
Wie sieht der Supermarkt der Zukunft aus?
Ich würde gern sagen: Auf jeden Fall unverpackt. Das wird aber eher eine Nische bleiben. Zwar eine Nische mit Potential und mit steigender Akzeptanz, aber viele Kunden wollen einfach nur schnell und unkompliziert einkaufen, Stichwort Convenience und to go. Ein Parameter wird sicher das Thema Digitalisierung sein und die Frage, welchen Beitrag diese leisten kann, um den alltäglichen Einkauf bequemer zu gestalten. Viele Verbraucher wollen sich nicht im Detail damit beschäftigen, was sie jeden Tag essen. Zwar versucht der klassische Einzelhandel Trends wie „unverpackt“ und „plastikfrei“ aufzugreifen und in seine Konzepte zu integrieren, mein Empfinden ist aber, dass hier vor allem diejenigen Maßnahmen forciert werden, die sich nach Außen kommunikativ gut vermarkten lassen, ohne die dahinterliegenden Prozesse tiefgreifend zu verändern. Die weitere Entwicklung wird auch stark von politischen Weichenstellungen beeinflusst werden.
Was war die größte unternehmerische Herausforderung bei der Gründung von „ohne PlaPla“?
Die Komplexität einer Gründung an sich. Und das Konzept dann punktgenau umzusetzen – von der ersten Idee bis zur Eröffnung sind nur acht Monate vergangen. In dieser Zeit mussten wir einen Businessplan erstellen, die Finanzierung sichern, eine geeignete Ladenfläche finden, umbauen und einrichten, das Ladenkonzept inklusive Corporate Design entwickeln, Personal suchen, die Lieferantenstruktur aufbauen und einige bürokratische Hürden überwinden. Eine anstrengende, aber auch sehr intensive Zeit, die einen als Team näher zusammenrücken lässt.
Sie studieren berufsbegleitend und haben während des MBAs eine Karriere im Konzern gegen die Selbstständigkeit getauscht. Wie kam das?
Eine Gründung stand nie auf meinem Plan und vor zwei Jahren hätte ich weder gedacht, dass ich mich selbstständig mache, noch dass ich in Lüneburg studiere. Seitdem hat sich mein Leben gedreht. Nach über zehn Jahren im Nachhaltigkeitsbereich eines großen Einzelhandelsunternehmens habe ich mich gefragt: „Was kann und möchte ich in meinem Arbeitsalltag bewegen und welche Werte sind mir wichtig?“ Nach mehreren Umstrukturierungen hatte ich das Gefühl, dass ich nur noch für die individuellen Ziele von Vorgesetzten arbeite und die Sache immer mehr in den Hintergrund rückt. Ich habe mich daher entschlossen das Unternehmen zu verlassen und mich beruflich neu zu orientieren – ohne dass ich schon eine Ahnung hatte, wie das konkret aussehen könnte.
Und wie ist das ausgegangen?
Ein Standbein ist inzwischen der Unverpackt-Laden. Ich wirke beratend mit und kümmere mich um die Kommunikation. Als Beraterin möchte ich künftig mit weiteren Unternehmen zusammenarbeiten und dabei helfen, deren Nachhaltigkeitsengagement zu professionalisieren und zielgruppengerecht zu kommunizieren.
Ein zweites Standbein hat sich aus einem Impuls im Studium entwickelt: Nach einem Workshop zum Thema Selbstführung habe ich mich kurzerhand für eine Ausbildung als systemischer Coach und Prozessbegleiter entschieden. Jetzt stehe ich kurz vor dem Abschluss. Ich möchte anderen Menschen helfen, sich von emotionalem und physischem Ballast zu befreien und ihren Alltag nachhaltiger zu gestalten – um so mehr Leichtigkeit, Freude und Zeit für das Wesentliche im Leben zurückzuerlangen.
Daneben nehme ich mir heute bewusst die Zeit, um mich für eine nachhaltige Entwicklung in meiner Heimat zu engagieren – sei es im Rahmen von lokalpolitischem Engagement oder Vereinsarbeit.
Wie das alles ausgeht würde mich auch interessieren – gefühlt bin ich noch ganz am Anfang und ich freue mich auf all das, was noch vor mir liegt.
Sie studieren den MBA Sustainability Management. Was sind für Sie die wichtigsten „Lessons learned“?
Verinnerlicht habe ich vor allem den „Business Case for Sustainability“. Nicht nur aus Gutmenschentum das Thema Nachhaltigkeit anpacken, sondern das Geschäftsmodell so ausrichten, dass sich ökologische und soziale Maßnahmen positiv auf den wirtschaftlichen Erfolg auswirken. Dazu müssen alle Unternehmensbereiche das Thema von Anfang an konsequent im Kerngeschäft mitdenken. Hier gibt es in der Praxis noch viel zu tun.
Wertvoll ist für mich außerdem die Haltung, die mit dem Studium vermittelt wird. Als Student bekommt man den Auftrag, als „Change Agent“ zu wirken. Man macht als Mensch den Unterschied, muss als Mensch überzeugen. Wertschätzung und Kommunikation auf Augenhöhe, Empathie, Authentizität, Selbstreflexion, Selbstmanagement, all das spielt eine wichtige Rolle.
Zum Abschluss noch ein Blick nach vorn: Wen würden Sie gern beraten und warum?
Was ich tue, soll vor allem auf fruchtbaren Boden fallen. Ich möchte helfen, in kleinen und mittelständischen Unternehmen Nachhaltigkeit weiter zu implementieren. Hier möchte ich Sparringspartner sein. Gerade Gründer und Geschäftsführer kleinerer Unternehmen haben oft andere Prioritäten oder sind sehr stark im Tagesgeschäft verhaftet. Wenn man es aber schafft, sie für das Thema zu gewinnen, dann sind sie die Richtigen, es ins Unternehmen und in die Welt zu tragen.
Darüber hinaus wünsche ich mir interessante Begegnungen mit Menschen, die ich als Coach ein Stück auf ihrem Lebensweg begleiten darf. Ich bin tief davon überzeugt, dass jeder sein persönliches und berufliches Glück selbst in der Hand hat. Dazu braucht es manchmal ein paar Impulse von außen. Das ist meine Botschaft: Einfach leben – an die eigenen Fähigkeiten glauben, mutig die ersten Schritte gehen und der eigenen Intuition vertrauen und folgen.
Vielen Dank!
Das Interview führte Anna Michalski vom Centre for Sustainability Management der Leuphana Universität Lüneburg.
Fotos: Laden © ohne PlaPla / Portrait © Grüne Leingarten
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