Endlich eine CSM-Alumni-Studienreise nach Lüneburg! Unter der Überschrift „Faire Wertschöpfung UND Konsum-Gerechtigkeit: ein lösbares Dilemma?!“ erwartete uns vom 25. – 28.04.2024 ein vielversprechendes Programm in unserer Uni-Stadt.
Einblicke in die Studienreise des CSM-Alumni e.V. von Ina Reinders und Rita Gelhaus
Am Donnerstagabend wurden wir 14 Teilnehmende vom Orga-Team Tanja Bohlmann, Rebecca Kandut, Joachim Kreye, Tatjana Lampe, Christof Ungerath und Ursula Weber in Empfang genommen und durften gleich mal zur örtlichen Einstimmung einen Blick über Lüneburg werfen: von der Dachplattform des Wasserturms. Reichlich Stufen mussten wir erklimmen, aber der Ausblick vom „Beacon of Sustainability“ war lohnenswert. Das Wiedersehen wurden über den Dächern Lüneburgs mit Umarmungen gefeiert und das erste Kennenlernen mit den noch unbekannten Mitreisenden war direkt in vollem Gange. Die Gruppe war wieder sehr divers aufgestellt: wie auch das Orga-Team kamen wir aus den verschiedensten Jahrgängen (2. bis 20. Jahrgang) – immer wieder eine tolle Chance zum Netzwerken.
Die tiefergehende Vernetzung fand dann beim Abendessen im Restaurant Frieda’s statt, das sich mit diversen Maßnahmen dem Nachhaltigkeitsgedanken verschrieben hat, z.B. Zusammenarbeit mit regionalen Lieferanten, keine Convenience-Produkte, eigenes Gemüsepulver, Vermeidung von Plastik, Stoff- statt Papierservietten etc. Das Frieda’s war übrigens früher ein Elektroladen, in dem Joachim, wie er uns erklärte, noch die Elektrogeräte für seine Küche gekauft hatte. Professor Dr. Stefan Schaltegger war ebenfalls dabei. So wurde das Abendessen mit Impulsen zu Fragen der Nachhaltigkeit garniert und ein Rückblick auf die Entwicklungsgeschichte Lüneburgs und der Leuphana über die letzten Jahrzehnte gegeben.
Am nächsten Morgen starteten wir mit Fahrrädern (trotz Regen) bzw. mit Bus in Richtung Ochtmissen, um dort den “WirGarten” zu besuchen. Der WirGarten Lüneburg ist eine Genossenschaft mit über 600 Mitgliedern. Ihr Ziel ist eine artenreiche, klimafreundliche und solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) für eine regionale, saisonale und gesunde Ernährung ihrer Mitglieder. Dorian auf dem Brinke, im Vorstand des WirGartens und als Gemüsegärtnermeister verantwortlich, hat uns einen Einblick in seine Arbeit gewährt.
Hierzu ein paar Worte von Tanja, die Patin für diesen Programmpunkt war: “Während es draußen regnete, saßen wir in Ochtmissen im Gewächshaus und hatten wohl alle irgendwann die gleiche Erkenntnis: Ohne eine große Portion Idealismus geht hier gar nichts. Der Weg zu regionalem, saisonalem Bio-Gemüse ist hart und braucht einen langen Atem. Nicht nur die Launen des Wetters spielen dabei eine Rolle. Auch finanzielle, logistische oder auch personelle Herausforderungen sind zu meistern. Wie man dennoch wettbewerbsfähig bleibt und wirtschaftlich agiert – darüber wurde am kommenden Tag im Workshop lebendig diskutiert. Wir danken Dorian für seinen kompetenten Input und für die wertvollen Denkanstöße. Mir ist noch einmal klar geworden, dass die Geschichten hinter der fairen und ökologischen Wertschöpfung Raum brauchen. Sie sind es wert, erzählt und vor allem auch gehört zu werden. Sie müssen erfahren und erlebt werden. Dann kann der Funke überspringen und zum Mitmachen anregen.”
Nach einem kurzen Fußweg erreichten wir die Loewe-Stiftung. Hier stärkten wir uns erst einmal und erfuhren von Katja Puhlmann und Dr. Stefan Porwol Details zur Entstehungsgeschichte und zum Zweck der Stiftung. Menschen mit vorübergehenden oder bleibenden seelischen Behinderungen können sich hier in einem geschützten Umfeld entwickeln, Berufe erlernen und möglichst selbstständig in ihrer Gemeinschaft leben. Die neueste Errungenschaft: ein öffentliches Café, das alle Ochtmisser einlädt und empfundene Barrieren zur Einrichtung abbauen soll. Nach der Besichtigung von Hofladen und den anderen Gebäudeteilen ging es zurück in die Lüneburger Altstadt.
Für das bevorstehende Nachmittagsprogramm hatte das Orga-Team das schöne Angebot gemacht, weiteren interessierten Studierenden/Alumni eine Stippvisite in unsere Gruppe zu ermöglichen. So gesellten sich noch drei weitere Teilnehmende zu uns.
Unser nächster Programmpunkt brachte uns die lange und vielseitige Geschichte unserer Uni-Stadt näher: dafür war eine Führung durch das historische Rathaus vorgesehen, das kurzweilig durchgeführt beeindruckende und amüsante Details offenbarte. Wir bestaunten Prunksäle, Silberschätze und Folterinstrumente, bemalte Decken und Wände, kunstvoll geschnitzte Holzskulpturen und sagenumwobene Knochen eines Wildschweins, das den Lüneburgern angeblich die Salzquellen unterhalb der Stadt offenbart hatte. Der Stolz der reichen Ratsherren, die sich bisweilen gerne auf Augenhöhe ihrer Fürsten stellten, wurde an vielen Stellen sichtbar.
Nach der Führung wurde uns eine besondere Ehre zuteil: eine Einladung in den Huldigungssaal zum Meet & Greet mit Oberbürgermeisterin und MBA-Alumna Claudia Kalisch, die extra für uns ihre feierliche Bürgermeister-Kette anlegte. Ähnlich wie die Entstehungsgeschichte dieses Saals war auch unser Besuch im Rathaus mit kurzzeitigen Planänderungen aufgrund von „Höherer Gewalt“ verbunden.
War 1706 dieser Saal eigens anlässlich seines einzigen Aufenthalts in Lüneburg für Kurfürst Georg Ludwig, dem späteren König von England, hergerichtet worden, war es 2024 Bundeskanzler Scholz, der mit seinem für den Folgetag kurzfristig angesagten Besuch in der Salzstadt für Planänderungen sorgte, welche die Anwesenheit der Oberbürgermeisterin an anderer Stelle erforderten.
Aber wir wären wohl keine richtigen “Change Agents”, wenn uns solche spontanen Änderungen aus dem Tritt brächten. Wir nutzten bestmöglich die verbleibende Zeit mit Claudia Kalisch, die gleich ihre engagierten Mitarbeitenden Pia Christina Wiebe und Bastian Hagmaier mitgebracht hatte, für eine angeregte Diskussion bei Kaffee und Kuchen. Dr. Martin Bethke, Experte für Strategie- und Nachhaltigkeitsberatung, komplettierte die Runde, die von Joachim moderiert, auch am späten Freitagnachmittag noch zum intensiven Austausch genutzt wurde. Viele kommunale Herausforderungen wurden dabei berührt: Interessenskonflikte in der Flächennutzung, Administrationsanforderungen, überparteiliche Abstimmungen, Kompetenzgerangel und die richtigen Leute für Jobs in der Verwaltung begeistern und halten, um Veränderungen voranzutreiben. ”Habt ihr noch Land in der Stadt?“ lautete passend die Frage eines MBAlers, als es um die nachhaltige Flächennutzung der Stadt Lüneburg unter der besonderen Berücksichtigung von Senkungsproblematiken ging.
Den Abend ließen wir beim gemeinsamen Abendessen im Buddha Thai ausklingen. Auf dem Fußweg dorthin stellten wir freudig fest, dass sich nun auch das Wetter endlich gastfreundlich verhielt.
Am Samstag machten wir uns bei strahlendem Sonnenschein auf die Katzenstraße. Dort erwartete uns Corinna Krome, die Gründerin des Co-Working-Space Utopia. Während der Führung durch ihr Haus erfuhren wir von den vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der dortigen Räume: neben fest vermieteten Büros gibt es auch Tagespauschalen für ruhiges oder auch ein angeregtes Arbeitsambiente. GründerInnen von Sozialunternehmen finden hier neben Arbeitsplätzen auch Beratung und Vermarktungschancen ihrer Ideen.
Damit war Utopia der ideale Ort, um unsere eigenen Workshops durchzuführen. Rebecca und Ursula leiteten uns an, wir organisierten uns arbeitsteilig in drei Gruppen zu drei verschiedenen Unternehmen und ihren jeweiligen Fragestellungen.
Dorian aus dem “WirGarten” kam dazu, um mit uns Lösungsansätze für die weitere Entwicklung des Absatzes der Gemüse-Abokisten zu erarbeiten. Die Gruppe arbeitete heraus, dass der Mehrwert und die Besonderheiten des lokalen Anbaus noch besser kommuniziert werden könnten, auch um die Akzeptanz höherer Preise im Vergleich zum Supermarktgemüse zu erhöhen. Die “Gläserne Möhre” stand dabei exemplarisch für die Idee der totalen Transparenz von Kosten und Aufwand. Es wurden zudem zusätzliche Einkommensquellen wie kostenpflichtige Führungen oder Events bei der Genossenschaft diskutiert, um den Garten weiter zu öffnen, aber die geringen Erträge nicht vom hohen Personaleinsatz für solche Aktivitäten auffressen zu lassen.
Der zweite Workshop wurde von Luca Windolph, aktuelle MBA-Studentin und Teilnehmerin der Studienreise, zu ihrem Start-Up “Sol Nocturno” angeboten. Die in ihrem Geschäftsmodell etablierten hohen Sozialstandards im Kaffeeanbau und die möglichst CO2-freie Logistik u.a. per Segelschiff führen unweigerlich zu höheren Preisen und waren damit exemplarisch für das zentrale Dilemma unseres Studienreisen-Mottos. Lucas Gruppe bearbeitete die Fragestellung der erfolgsversprechenden Zielgruppen und erweiterte den Fokus dabei auf Unternehmenskunden, die diesen besonders nachhaltigen Kaffee als Geschenkidee nutzen könnten.
Joachim hatte als Mit-Organisator der Reise ebenfalls ein Workshop-Thema mitgebracht. Hierbei ging es um sein Unternehmen “Lünestrom” und die Vermarktung von Allein-stellungsmerkmalen in einem gesättigten Markt, bei dem besondere Charakteristika des Produkts bei der Kundschaft nicht unmittelbar spürbar werden. Konkret wurde der aktuell eingesetzte Werbeflyer daraufhin analysiert, ob die wichtigsten Verkaufsargumente schnell ersichtlich werden. Die Besonderheit, dass bei Lünestrom jede einzelne Kilowattstunde aus Ökostrom besteht und dies nur wenige Anbieter mittels entsprechenden Zertifizierungen nachweisen können, war ein Punkt, bei dem die MBAler Verbesserungspotenzial in der Kommunikation identifizierten.
Nach der Vorstellung aller Ergebnisse im Plenum gab es eine freie Mittagspause, die von den meisten der Gruppe auf dem Markt verbracht wurde, wo es reichlich Angebot regionaler und auch bio-zertifizierter Stärkungen gab.
Am Samstagmittag trafen wir uns im Rathausgarten zum stadtökologischen Rundgang, um mit Volkmar Ziese, Referent des NABU, Lüneburg unter dem Aspekt „Bewahrung und Anpassung des Stadtgrüns angesichts des sich verändernden innerstädtischen Klimas” zu begehen. Zur Einführung erläuterte uns Herr Ziese, dass aufgrund der steigenden Anzahl Hitzetoter dringend vorbeugend gehandelt werden müsse.
Unser Weg führte uns an verschiedene Stationen, an denen uns Herr Ziese klimaschützende Maßnahmen wie Fassadenbegrünung, Pflanzung besonderer stadtklimafester Gehölze und Auswahl von Bodenbelägen zeigte, aber auch in Frage stellte, ob jede Fuge saubergekratzt und jede Ecke ausgeputzt werden muss.
Am Beispiel Marienplatz erläuterte er uns ein Dilemma der städtischen Flächennutzung: zentrale Parkplätze vs. nachhaltige Stadtgestaltung. In Lüneburg wurde zu einem Ideenwettbewerb aufgerufen, wie man den bisherigen Parkplatz zu einem attraktiven Ort für alle machen kann. Die BefürworterInnen der Umgestaltung erhoffen sich neben mehr Grün und Aufenthaltsqualität an dem Platz auch weniger Parksuchverkehre in der Umgebung. Der Umbau des Platzes ist Teil des Förderprogrammes “Resiliente Innenstadt”. Wesentliche Bestandteile des Vorhabens sind die Entsiegelung, die Umgestaltung von Begrünungs- und Bepflanzungsflächen, die klimaorientierte bzw. tiergerechte Erneuerung der Beleuchtungsanlagen sowie die Anpassung und Verbesserung der Verbindungen und Wege und Transformation von Auto- zu Fahrradstraßen. Trotz der vielen faktischen Vorteile regt sich auch Widerstand in Teilen der Bevölkerung.
An der St. Michaeliskirche informierte Tatjana die Gruppe engagiert über das Thema Lichtverschmutzung und den Schutz von Fledermäusen und Insekten. Dabei erhielten wir praktische Hinweise und Infos zu Beratungsangeboten.
Danach trafen wir uns im Gemeindehaus der Marienkirche zum „Philosophischen Salon“ mit Dr. Tim Kunze, dem Kurator der Kant-Abteilung des Ostpreußischen Landes-museums in Lüneburg. Der 300. Geburtstag des Philosophen war ein guter Anlass für den Vortrag mit dem Titel “Kant und die ökologische Krise“. Gemeinsam spürten wir dem historischen Verhältnis von Mensch und Natur nach, betrachteten die Entwicklung von Begriffen wie „Naturbeherrschung“ und diskutierten verschiedene Positionen der Naturethik.
Christof führte uns anschließend über das Gelände der Kirchengemeinde und erläuterte uns die geplante Umgestaltung der Außenflächen. Unter anderem sollen die Betonplatten der Zuwege hochgenommen, zerkleinert und als “wassergebundene Wegedecke” wieder aufgebracht werden. Die Parkplatzflächen werden reduziert und stattdessen Bepflanzungen vorgenommen. In etwa zwei Jahren sollen die Maßnahmen abgeschlossen sein, dann schauen wir wieder gerne vorbei. 😉
Für das Abendessen hatte das Orga-Team zu einer “Schnippel-Party” geladen. Aus geretteten Lebensmitteln zauberte uns Christof mit freiwilligen KüchenhelferInnen ein leckeres Curry. Dazu gab es geschnittenes Gemüse, leckeren Wein und Eis mit gekochten Bananen.
Danach wurde die im Rahmen der Studienreise nach Kolumbien entstandene und längst lieb gewonnene Tradition des Orga-Team-Beschenkens fortgeführt. In gewohnter Weise bedanken sich die Teilnehmenden der Reise dabei mit Mitbringseln aus ihrer jeweiligen Region.
Und was natürlich nicht fehlen darf: die Übergabe des Staffelstabes an das nächste Orga-Team. Für die nächstjährige Organisation haben sich Michael Gaedecke, Benjamin Leuschner und Kathrin Srama bereit erklärt. Damit ist das Ziel klar: 2025 geht die Studienreise nach Berlin!
Der Abend fand seinen allgemeinen Abschluss in der Weinbar 0,75. Ein winziges Grüppchen machte noch das Licht im Argon aus.
Am Sonntagmorgen trafen wir uns abschließend zu einer historischen Stadtführung geleitet von Prof. Dr. Thomas Schomerus, einigen von uns bekannt als Lehrender der Uni Leuphana. Der Rundgang begann an der St. Michaeliskirche und ging dann weiter auf den Kalkberg, wo wir viel über die Entstehung und historische Entwicklung von Lüneburg erfuhren. Auch die Problematik “Senkungsgebiet” wurde ausgiebig erläutert. Weiter führte uns der Rundgang durch die Altstadt, an der St. Nikolaikirche, der Stadtmauer und am Rathausplatz vorbei und endete Am Sande bei der St. Johanniskirche. Wir haben viele historische Details erfahren, die selbst die Lüneburger teilweise noch nicht kannten. Am Sande stand dann der Abschied an.
Im Namen aller Teilnehmenden danken wir dem Orga-Team sehr! Ein spannendes und vielseitiges Programm mit tollen neuen Impulsen – perfekt und mit viel persönlichem Einsatz organisiert. Wir haben uns herzlich willkommen und von den neuen Eindrücken unserer Uni-Stadt sehr inspiriert gefühlt!
von Rita Gelhaus & Ina Reinders
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