Was ist in den letzten 20 Jahren im Hinblick auf Nachhaltigkeit passiert? Was wurde erreicht, was ist krachend gescheitert und wie können wir trotz aller Herausforderungen weiter mit Optimismus voranschreiten und eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen? Diese großen Fragen wurden bei den Home Coming Days 2023 bei der Fachkonferenz gewälzt. Den Auftakt machte MBA-Studiengangsleiter Prof. Dr. Stefan Schaltegger und zerlegte den Konferenztitel „Schöne Grüne Welt –Vom Meistern, Scheitern, Weitermachen“ in seine Bestandteile: Wie und warum scheitern Unternehmen eigentlich beim Thema Nachhaltigkeit?
Scheitern mit unternehmerischer Nachhaltigkeit – wenn die Substanz fehlt
„Lange dachte man, Stillhalten sei das Beste – dann rauscht diese Nachhaltigkeitswelle, diese Mode an einem vorbei.“
Prof. Dr. Stefan Schaltegger
Dass das nicht richtig ist, hat die Zeit bewiesen: Ignoranz führte vielfach zu Pleiten, wie im Fall der Drogeriekette Schlecker. Eine reine Adaption, eine Konformität mit Standards und Regulierungen, reiche auch nicht und immer weniger. Dass kontextuale Einflüsse noch eine große Rolle für viele Unternehmen spielen, zeigt sich aktuell an Beispielen wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. „Alle rennen!“ beschreibt Prof. Dr. Stefan Schaltegger, wie Organisationen reagieren. „Wie viele von Ihnen machen das, nach Konformität schauen?“ fragt er in den Raum und viele Hände heben sich.
Reaktiv scheitern können Organisationen aber auch mit Greenwashing, also bei dem Versuch den Druck von außen durch „talk without substance“ zu meistern – sie kommunizieren nicht, was sie tun, sondern was sie „möglicherweise anstreben könnten“. Sie scheitern, weil sie in der Substanz keine Nachhaltigkeitsfortschritte anstreben.
Und wenn Unternehmen in der Substanz nachhaltig werden, ist das ein Erfolgsgarant? Leider nein, zeigt die Analyse des Scheiterns von Tchibo Share. Für das im Kern sehr nachhaltig gedachte, innovative Geschäftsmodell, Kinderkleidung zu mieten, war die Gesellschaft noch nicht bereit.
Transformation meistern – interne Veränderungen und Adaption
Und was bedeutete es nun, hier und heute unternehmerische Nachhaltigkeit zu meistern?
„Adaptives Meistern, was vor 20 Jahren das Hauptthema war – als wir den MBA begonnen haben – reicht nicht. Das Meistern einer Nachhaltigkeitstransformation erfordert, die Organisation zu transformieren und Beiträge zur Nachhaltigkeitstransformation von Märkten, Branchen, Gesellschaft jenseits der Unternehmensgrenzen zu leisten.“
Prof. Dr. Stefan Schaltegger
Eine kraftvolle Methode kann das sogenannte Backcasting sein: Ausgehend von einer Vision (z.B. Erfüllung der SDGs oder ein Leben innerhalb planetarer Grenzen) schaut man von der gewünschten Zukunft auf den jetzigen Zustand und überlegt, welche Schritte man gehen muss, um die gewünschte Zukunft zu erreichen.
Dabei müssten Organisationen eine Balance zwischen Adaption und Transformation hinbekommen. Sich z.B. an unnachhaltige Konsummuster anpassen, um eine Wirkung zu erzielen, manchmal kleinere Schritte gehen. Das steht im Widerspruch zur Dringlichkeit, die die planetaren Grenzen und der sich immer weiter nach vorn verlagernde Earth Overshoot Day deutlich machen.
„Eigentlich erfordert nachhaltige Entwicklung ein radikaleres und rascheres Vorgehen, aber das nützt nichts, wenn wir scheitern, weil das gesellschaftliche „System“ – Konsummuster, Einstellungen, Politik, Wählerschaft – nicht mitmacht. Ein Meistern einer Transformation erfordert interne Veränderungen und oft eine gewisse Adaption an festgefahrenen unnachhaltigen Denkweisen und Mustern.“
Prof. Dr. Stefan Schaltegger