Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis prämiert herausragende Beiträge zur Transformation in eine nachhaltige Zukunft. Zu den Siegern des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2020 gehören die IT-Unternehmen SHIFT und AfB – und damit gleich zwei Akteure, die seit Jahren Teil des Innovationsverbunds Nachhaltige Smartphones (INaS) des Centre for Sustainability Management (CSM) sind. Das CSM gratuliert herzlich – und hat die Preisträger interviewt.
Die SHIFT GmbH produziert Smartphones und Laptops, die reparierbar sind und die Nutzer*innen upgraden können – sogar selbst, mit passenden Schraubendrehern oder werkzeuglos bei Komponenten wie Dual-Sim, Micro SD oder Akku. Wer sein Gerät nicht mehr nutzt, kann es dank eines Pfandsystems zurückgeben. Für die konsequente Umsetzung dieser Idee, erhielt SHIFT den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Design, der 2021 erstmalig verliehen wurde.
Zum Interview: 3 Fragen an Carsten & Samuel Waldeck, Gründer SHIFT GmbH
Das gemeinnützige IT-Unternehmen AfB gGmbH erhielt den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Unternehmen im Transformationsfeld Gesellschaft und Fairness. Das Sozialunternehmen arbeitet gebrauchte Hardware auf, verkauft diese weiter und setzt dabei auf Inklusion: 45 Prozent der knapp 500 Angestellten sind schwerbehindert. Seit der Gründung vor 15 Jahren hat sich AfB von einem Start-Up zu einem europaweit agierenden Unternehmen entwickelt und durch das Geschäftsmodell in Summe über 132.000 Tonnen Rohstoffe eingespart.
Zum Interview: 3 Fragen an Daniel Büchle, Geschäftsführer AfB gemeinnützige GmbH
SHIFT und AfB sind aktive Mitglieder im Innovationsverbund Nachhaltige Smartphones (INaS). Das Centre for Sustainability Management (CSM) hat den INaS 2016 gemeinsam mit dem Institut für Integrierte Qualitätsgestaltung (IQD) initiiert, um eine Nachhaltigkeitstransformation der Branche zu unterstützen. Zur Zeit liegt der Fokus des Netzwerks auf der Entwicklung modularer Designs für Smartphones. Das war auch Thema beim letzten Workshop des Netzwerks, bei dem sich über 30 Unternehmensvertreter*innen der gesamte Smartphones-Wertschöpfungskette online getroffen haben, um Strategien und Ansätze für eine nachhaltige Produktion und Nutzung von Smartphones zu entwickeln.
3 Fragen an Carsten & Samuel Waldeck, Gründer SHIFT GmbH
Reparieren, upgraden und am Ende der Nutzung zurückgeben – ihr habt die Jury nicht bloß mit einem „schön“ designten Smartphone, sondern einem Lebenszyklus-orientierten Gesamtpaket überzeugt. Welche Barrieren musstet ihr auf dem Weg zu diesem Produkt überwinden?
Zu Beginn jeder Entwicklung stellt immer die Frage der Finanzierung eine erste Hürde. Für uns war Crowdfunding da der richtige Weg, auch wenn es zu Beginn schwierig war. Wir mussten gut haushalten. Zurückblickend sind wir sehr dankbar für die große Unterstützung, die uns entgegengebracht wurde, ohne die SHIFT so nicht möglich gewesen wäre. Das Vertrauen, das wir dadurch entgegengebracht bekommen haben, prägt auch heute noch die Beziehung zu unseren Kunden und Kundinnen. Und darauf bauen wir viel lieber, als auf große Investoren.
Außerdem hat unsere Vision eines Smartphones den Grundprinzipien des großen und schnellen Marktes mit kurzlebigen, nicht reparierbaren Komponenten grundlegend widersprochen. Mit immer wieder neuen Technologien kommen neue Bauteile, wodurch die alten Bauteile nicht mehr hergestellt werden, obwohl auch diese noch gut sind. Da ein Smartphone ein hochkomplexes Produkt ist, mussten wir ein ganz neues Konzept erarbeiten, um unsere Vision umsetzen zu können. Wir suchten nicht nach immer neuen Bauteilen, sondern nach reparierbar und langfristig nutzbaren Komponenten. Als kleiner Hersteller suchten wir also gute Zulieferer, die uns passende Komponenten beschaffen konnten und dazu auch bei kleineren Stückzahlen bereit waren. Dabei war es uns wichtig gute und langfristige Beziehungen aufzubauen.
Welche Rolle spielte für Euch der INaS in den letzten Jahren und auf dem Weg zum DNP 2021?
Der Austausch, der durch den INaS möglich gemacht wurde, war und ist für uns sehr wertvoll. In einer offenen und konstruktiven Atmosphäre mit Stakeholdern aus der Branche sprechen zu können, schätzen wir sehr. Dadurch konnten wir uns Herausforderungen, wie Fragen zu rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung unserer Vision, stellen und einen Weg finden diese zu meistern. Der INaS ist für uns eine Inspirationsquelle. Unabhängig von einem fertigen Geschäftsmodell und ohne spezielle Vorgaben wurde ein Raum geschaffen, darüber nachzudenken, wie für uns ein nachhaltiges Smartphone im Optimalfall aussehen würde. Dazu in einem wissenschaftlichen Kontext zu diskutieren und von diversesten professionellen Unternehmen ein Feedback zu bekommen hat uns sehr unterstützt und auf unseren Weg gebracht. Auch im Hinblick auf den DNP 2021 bereichert uns die Zusammenarbeit, die durch den INaS möglich gemacht wird, ungemein.
Was ist Eure Vision für das nächste Jahr?
Auch im nächsten Jahr wollen wir der Vision des SHIFTmu näher kommen. In diesem Projekt sehen wir große Chancen Elektroschrott zu reduzieren und weiterhin unsere Wertvorstellungen mit fortschrittlicher und hochwertiger Technik zu vereinen. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die Weiterentwicklung des SHIFT13mi, mit dem wir uns im kommenden Jahr in eine andere Gerätekategorie bewegen. Das detachable Notebook mit starkem Intel® Core™ i5 Tiger Lake Prozessor, wird modular sein, kommt mit Dual-Speicher-Slots, einem austauschbaren Akku und einer hochwertigen Tastatur, die gleichzeitig über die ganze Fläche als Trackpad funktioniert. Darüber freuen wir uns schon sehr.
Insgesamt wollen wir die Recyclingfähigkeit unserer Geräte optimieren und mit verbesserten Materialien in Bezug auf Fairness und Nachhaltigkeit daran arbeiten.
3 Fragen an Daniel Büchle, Geschäftsführer AfB gemeinnützige GmbH
Umweltschutz, Inklusion, wirtschaftlicher Erfolg und nach der Auszeichnung 2012 nun der zweite Deutsche Nachhaltigkeitspreis – wie macht ihr das und wie habt ihr euch seit der ersten Auszeichnung weiterentwickelt?
Der DNP ist wirklich etwas Besonderes, weil er mit mehr als 1.000 Bewerbungen der größte Preis seiner Art in Europa ist, und wir freuen uns sehr darüber. 2012 wurde AfB für die nachhaltige Zukunftsstrategie als inklusiv arbeitender IT-Refurbisher ausgezeichnet. Das war zum einen eine Riesenmotivation für uns und hat gleichzeitig viel Aufmerksamkeit bei potenziellen Partnern erzeugt. AfB ist auf die Übernahme, Aufarbeitung und Wiedervermarktung von gebrauchter IT-Hardware spezialisiert. Es hat sich gezeigt, dass Unternehmen einen hohen Bedarf für diese Dienstleistung haben. Hinzu kommt, dass sie bei einer IT-Kooperation mit AfB gleichzeig sozial-ökologische Mehrwerte schaffen können: Refurbishment gebrauchter Hardware reduziert den globalen Rohstoffverbrauch und die Treibhausgas-Emissionen. AfB beschäftigt als Inklusionsunternehmen fast zur Hälfte Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Unser Prozess muss barrierefrei sein, aber gleichzeitig den steigenden Ansprüchen unserer Partner und des Gesetzgebers genügen. AfB ist mittlerweile zertifiziert nach ISO 9001 und 14001 und als Entsorgungsfachbetrieb. Sie sehen: Wir ruhen uns auf den Lorbeeren nicht aus, wir wachsen, expandieren, schaffen neue Arbeitsplätze. Genau dafür wurden wir 2020 ausgezeichnet, dass wir uns immer verbessert haben.
Was ist eure wichtigste „Lesson Learned“ für andere nachhaltige Unternehmer*innen?
Wir mögen die Grafik der Sustainable Development Goals sehr, bei der SDG 17 „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“ nicht am Ende steht, sondern in der Mitte, und die anderen 16 SDGs im Kreis darum aufgereiht sind. Dies entspricht im Wesentlichen unserem Verständnis und auch unserem „Erfolgsgeheimnis“: Gelingende Partnerschaften zur Erreichung von Zielen. AfB kann nur ökologischen und sozialen Mehrwert erzielen in Kooperation mit allen IT-Partnern. Dazu gehören große Unternehmen, Banken, Versicherungen und Einrichtungen der öffentlichen Hand, die ihre gebrauchte Diensthardware nicht meistbietend verbrokern. Sie entscheiden sich für den nachhaltigen Weg in Zusammenarbeit mit AfB – für zertifizierte Datenvernichtung und anschließend für Refurbishment bzw. fachgerechtes Recycling in Europa. Indem sie AfB als Dienstleister beauftragen, helfen sie, Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu sichern oder sogar auszubauen. Wir investieren daher viel Zeit in die Pflege und den Ausbau dieser Partnerschaften. Das A und O bei uns und eigentlich bei allen Unternehmen, egal ob For-Profit oder Non-Profit, sind Partnerschaften, auf die man bauen kann.
Vor welchen Herausforderungen steht AfB 2021 und wie kann euch ein Netzwerk wie der INaS weiterhin dabei unterstützen?
Die größte Herausforderung von AfB liegt darin, zertifizierte und nachhaltige IT-Dienstleistungen wirtschaftlich anzubieten, da gleichzeitig Anbieter ohne ökologischen und sozialen Mehrwert auf dem Markt präsent sind. Ich bin aber der Meinung, dass nachhaltiges Handeln zukünftig einen deutlich höheren Stellenwert in Wirtschaft und Gesellschaft einnehmen wird, und wir hier auf dem richtigen Weg sind. Die Auszeichnung mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis bestätigt das auch. Darüber hinaus bleibt die Stärkung der Circular Economy ein wichtiges Thema. Die Kreislaufwirtschaft ist weltweit gesehen mit 8,6% auf einem niedrigen Niveau. Doch gerade im Bereich IT zeigt sich hier ein großer Hebel zur Bekämpfung des Klimawandels, weil Ressourcenabbau und Treibausgasemissionen bei der IT Produktion eng miteinander gekoppelt sind. Es wird unerlässlich, dass wir Produkte länger nutzen.
Wir wollen Bewusstsein für dieses Thema schaffen und Unternehmen davon überzeugen, Partnerschaften für einen sozial-ökologischen Mehrwert einzugehen. Ein Punkt ist, dass wir in 2021 unsere Wirkungsmessung durch IT-Remarketing aktualisieren und deutlich erweitern. Nicht zu unterschätzen ist bei allen Vorhaben der enge Draht zum INaS-Netzwerk, um sich über aktuelle Entwicklungen und Studien auszutauschen und mit Herstellern und Forschern gleichermaßen zu diskutieren und voneinander zu lernen. Wir freuen uns auch, mit weiteren Akteuren im INaS wie euch oder Shift im Forschungsprojekt Modest Strategien für langlebige Smartphones mitzuentwickeln. Ein Mehrwert bei Modest und bei INaS ist die Verdrahtung mit Forschung und Unternehmen für einen schnellen Praxistransfer.
Die Interviews führten Anna Michalski und Ferdinand Revellio vom Centre for Sustainability Management (CSM).
Weiterlesen:
Innovationsverbund Nachhaltige Smartphones (INaS)
Verbundforschungsprojekt „Produktzirkularität durch modulares Design – Strategien für langlebige Smartphones“ (MoDeSt)
Deutscher Nachhaltigkeitspreis Unternehmen 2021 – Sieger & Jurybegründung AfB gemeinnützige GmbH
Deutscher Nachhaltigkeitspreis Design 2021 – Sieger & Jurybegründung SHIFT
Website AfB gGmbH
Website SHIFT GmbH
Bilder: Titelbild Deutscher Nachhaltigkeitspreis Online Preisverleihung 2021 – © Dariusz Misztal, Carsten und Samuel Waldeck © SHIFT GmbH, Jérome Gerull, Daniel Büchle © AfB gGmbH
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